Bundestrainer Hans Melzer aus Putensen nimmt Stellung zur Auflösung aller Nationalkader im Reitsport und spricht sich uneingeschränkt gegen Doping aus.

Harburger Rundschau:

Herr Melzer, sind Sie eigentlich arbeitslos, seit die Deutsche Reiterliche Vereinigung mit einer spektakulären Entscheidung alle Nationalkader aufgelöst hat?

Hans Melzer:

(lacht) Nein, unsere Vorbereitungen auf die Europameisterschaften vom 23. bis 27. September im französischen Fontainebleau gehen ganz normal weiter. Noch haben wir die Longlist mit zwölf Kandidaten. Für die ist vor allem Luhmühlen und dann auch noch Aachen eine wichtige Bewährungsprobe. Ende August wird dann entschieden, welche sechs Reiter mit zur EM fahren.

HR:

Die Auflösung aller Nationalkader vor gut einer Woche hatte einen mächtigen Nachhall in Deutschland. Der Reitsport soll jetzt von allen Dopingvorwürfen und Vorfällen weiß gewaschen werden. Was ist denn seitdem konkret geschehen?

Melzer:

Beim Deutschen Olympischen Sportbund ist eine Kommission berufen worden. Vor der werden alle Kaderreiter zur Dopingproblematik aussagen müssen.

HR:

Hat diese Kommission schon mit der Befragung begonnen?

Melzer:

Meines Wissens ja, in dieser Woche.

HR:

Wurden schon Vielseitigkeitsreiter vorgeladen?

Melzer:

Nein, es ist wohl vorgesehen, dass zuerst die Springreiter, dann die Dressurleute und zuletzt wir an die Reihe kommen.

HR:

Haben Sie nicht im Stillen doch die Sorge, dass Sie am Ende vielleicht ein paar Namen aus Ihrer Kaderliste streichen müssen?

Melzer:

Nein, überhaupt nicht. In unserer Disziplin macht das ganze ja eigentlich auch keinen Sinn.

HR:

Aber wieso? Mit einer Pille oder Spritze könnte ein Reiter doch sein Pferd auf der langen Geländestrecke schneller machen.

Melzer:

Und dann wäre das Tier so überdreht, dass es an den Hindernissen Fehler macht und Zeit verliert. Das beste Beispiel ist doch Marius, mit dem Hinrich Romeike zweifacher Olympiasieger wurde. Es gibt viel schnellere Pferde, aber Marius ist so rittig, wie wir sagen, der macht an jedem Hindernis Zeit gut. Außerdem, man darf bei der ganzen Dopingdiskussion im Reitsport, nicht in die falsche Richtung galoppieren.

HR:

Was ist die falsche Richtung?

Melzer:

Es geht im Reitsport, also beim Springen, der Dressur und der Vielseitigkeit, nicht um leistungsfördernde Mittel. Die machen aus den Gründen, die ich schon erwähnt habe, keinen Sinn. Es geht um Medikation. Es geht darum, wie schnell ich ein erkranktes oder verletztes Pferd wieder in den Sport zurück bringen kann. Nehmen wir ein Beispiel. Ein Springreiter hat für ein großes Turnier am Wochenende gemeldet. Am Donnerstag zieht sich sein Pferd eine Fleischwunde zu. Wenn sich der behandelnde Tierarzt nicht bestens in den Dopingbestimmungen auskennt, sitzt der Reiter schon in der Falle. Es ist diese schwierige Gratwanderung, die dem Reitsport so zu schaffen macht.

HR:

Aber gilt das nicht für Euch Vielseitigkeitsreiter genauso?

Melzer:

Nein, nicht so krass. Ein Springreiter beispielsweise kann alle 14 Tage für ein bedeutendes Turnier melden, bei dem es auch viel mehr Geld zu verdienen gibt als bei uns. Ist sein Spitzenpferd längere Zeit nicht einsatzfähig, erleidet der Springreiter einen erheblichen Verlust. In der Vielseitigkeit haben wir in etwa nur ein Drittel der Einsätze. Nach Luhmühlen werden unsere Spitzenpferde erst bei Turnieren im Herbst wieder stark belastet. Grundsätzlich bleibt da mehr Zeit für Heilung und Genesung.

HR:

Im Kampf gegen Doping vor allem durch Medikamentierung ist die Deutsche Reiterliche Vereinigung jetzt in der Welt vorgeprescht. Begrüßen Sie das?

Melzer:

Uneingeschränkt ja. Deutschland ist die Reiternation Nummer eins in der Welt. Wir sind deshalb verpflichtet, für einen sauberen Sport zu sorgen.

HR:

Die letzte Frage noch einmal zu Luhmühlen. Leuchtet der Olympische Glanz noch in der Vielseitigkeit?

Melzer:

Das ZDF wird vom Geländeritt aus Luhmühlen live übertragen, teilweise mit vier Kameras wie bei der Formel 1. Aus Aachen sendet die ARD live. Wir sind gefragt und das freut uns.

Interview: Norbert Scheid