41 000 Fans sahen die beiden Entscheidungsspiele um die Hamburger Vizemeisterschaft - vor genau 50 Jahren.

Einen offiziellen Zweiten in der Hamburger Amateurliga gab es nicht. Der Harburger Turnerbund (68:43 Tore) und der Wilhelmsburger FV von 1909 (64:43 Tore) - im Volksmund "Nullneun" genannt - waren gemeinsam auf Tabellenplatz zwei. Ein Entscheidungsspiel musste ausgetragen werden, um den Teilnehmer zur Aufstiegsrunde der Oberliga zu ermitteln, der damals höchsten Klasse. Der alte Millerntorplatz auf dem Heiligengeistfeld war der Austragungsort für ein Spiel, das vor 50 Jahren in die Hamburger Fußball-Geschichte einging. 18 000 Zuschauer kamen am 22. April 1959, das Wiederholungsspiel sahen eine Woche später am 28. April 23 000 Fans.

Uwe Hansen, damals als Schülerpraktikant beim Sportjournalisten Horst Frese und später auch für die Harburger Rundschau tätig, erinnert sich.

Der HTB und "Nullneun" lieferten sich einen Kampf bis zur Erschöpfung. Die 22 Spieler haben sich bis an die Grenze ihrer Kraft für ihre Mannschaft zerrissen, und das mit Verlängerung über 120 Minuten. Es gab weniger schöne Technik und planvolle Spielzüge, dafür aber einen Kampfgeist von unerbittlicher Schärfe zu sehen. Es war eine Gala-Vorstellung des uralten Harburg-Wilhelmsburger Fußball-Adels. . .

Wilhelmsburg 09 begann mit einem Ansturm, der sich gewaschen hatte. Mit acht, neun Spielern wurde das von Horst Wegener gehütete HTB-Tor berannt. Mitten in diesen Generalangriff fiel die Verletzung von 09-Läufer Martens. Er humpelte, musste aber durchhalten, weil es keine Auswechslungen gab.

Harburg machte sich frei. Nach 20 Minuten erwischte der kleine Busch einen Steilpass von Erhorn und schlenzte zum 1:0 für den HTB ein. Was für ein Konterangriff. Nullneun schien geschlagen. Aber das war erst der Anfang. Wütend konterten die Wilhelmsburger. Kapitän Schütze, der sich kurz vor dem Anpfiff bei St. Paulis zuschauendem Trainer Hempel ein paar Stiefel gepumpt hatte (die eigenen waren kaputt), zog aus der Läuferreihe das Spiel auf. Nach der Pause ist "09" weiter im Ansturm. Diesmal mit Erfolg. Magdziaks Freistoß wurde in einem unbeschreiblichen Gewühl vom verletzt im Strafraum stehenden Martens eingeköpft. 1:1 in der 52. Minute. Die Umarmung war so stürmisch, dass es zu einem Massensturz wie beim Radrennen kam. Es wurde hart. In der 58. Minute zog Warszta dem immer stärker werdenden Talent Neudorf (18) die Beine weg. Warszta stürzte ebenfalls, wurde aber beim Erheben von HTB-Amateur-Nationalspieler Lewandowski wieder zu Boden gestoßen - Tumult!

In der Verlängerung brachen auf beiden Seiten Spieler mit Wadenkrämpfen zusammen. Nur der blonde Youngster Neudorf schien durchzuhalten. Sein fantastischer Alleingang in der 98. Minute war ein Tor wert. In der zweiten Halbzeit der Verlängerung - in zunehmender Dunkelheit - wurde der Ball nur noch hin- und hergeschoben. Keiner wollte mehr verlieren. Schlusspfiff. In den Kabinen lagen und hockten die 22 Akteure völlig erschöpft. Fast jeder war verletzt, aber sie gratulierten sich gegenseitig - aus Gegnern wurden Freunde.

Nur einer unter ihnen war unglücklich: Wilhelmsburgs Auswahlspieler Walter Schütze. Er musste sich entscheiden, entweder deutsches Länderpokal-Finale zwischen Hamburg und Hessen oder das Wiederholungsspiel seines Vereins. Schütze spielte, zuerst für Hamburg - und wurde beim 4:1 gegen Hessen deutscher Fußball-Meister, schoss unter den Augen von Sepp Herberger ein Tor - und dann bei der Neuauflage gegen den HTB. Transparente wie "HTB macht sich umsonst den Eifer, 09 wird Hamburgs Vizemeister" halfen jedoch nichts. Die Wilhelmsburger verloren 0:2 nach Patzern von Torwart Globisch (ließ den von Neudorf geschossenen Ball, den er schon in den Händen hatte, ins Tor fallen) und Warszta (Eigentor). "Nullneun" war besiegt.