Die Schülerin aus dem Dorf Groß Gaddau im Wendland ist seit Neujahr 2001 spurlos verschwunden. Die Kripo steht vor einem Rätsel.

Lüneburg/Lüchow. Recht mager fiel die Reaktion nach der Fernsehsendung am Montagabend aus. Nur eine E-Mail ging bei Andreas Rusche ein. Der Kriminaloberkommissar leitet beim Polizeikommissariat Lüchow die siebenköpfige Ermittlungsgruppe, die seit fast elf Jahren versucht, einen der mysteriösesten und bewegendsten Kriminalfälle in der Region Lüneburg, Lüchow-Dannenberg, Uelzen aufzuklären: das spurlose Verschwinden der damals 15 Jahre alten Schülerin Katrin Konert aus dem Dorf Groß Gaddau im Wendland. Erneut wurde nun im Fernsehen bei RTL II davon berichtet, in der Hoffnung auf neue Hinweise.

Katrin Konert war auf dem Heimweg von ihrem Freund, als sie am Neujahrstag 2001 spurlos verschwand. Zeugen sahen sie an einer Bushaltestelle in Bergen an der Dumme, doch zu Hause kam Katrin nie an. "Ich kenne keinen vergleichbaren Fall, bei dem ein Mensch scheinbar wie vom Erdboden verschluckt wurde", sagt Ermittler Rusche. Bis heute gibt es kein Lebenszeichen von ihr. "Es ist ein herausragender Fall." In Deutschland werden jedes Jahr mehr als 50 000 Kinder als vermisst gemeldet. Die meisten tauchen schnell wieder auf. Doch Katrin Konert bleibt verschwunden.

In diesem Jahr nahm die Sonderkommission die Ermittlungen wieder auf. In der ZDF-Sonderausgabe der Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" über vermisste Kinder am 30. März war der Fall geschildert worden. Das sahen die Zuschauer: Nach einer Silvesterparty mit ihrer Familie will sich die 15-jährige Katrin Konert am Nachmittag heimlich mit ihrem Freund treffen. Er ist 15 Jahre älter als sie und ihre Eltern sollen nichts von ihm wissen.

+++ Polizei rollt den Fall der vermissten Katrin Konert neu auf +++

+++ Katrin Konert – seit zehn Jahren spurlos verschwunden +++

Um Fragen zu vermeiden, verlässt sie das Haus, ohne sich zu verabschieden. Es ist etwa 14.40 Uhr. Ihr Freund und ein Bekannter holen Katrin mit dem Auto ab. Sie fahren gemeinsam etwa 17 Kilometer von Groß Gaddau nach Bergen an der Dumme, wo Katrins Freund wohnt. Gegen 18 Uhr möchte sie nach Hause. Doch inzwischen hat sich das Wetter verschlechtert. Es gibt Blitzeis. Vergebens versucht das Mädchen per Handy jemanden zu finden, der sie zurückbringt. Schließlich macht sich Katrin allein auf den Weg zur Bushaltestelle. Gegen 19.20 Uhr fragt ein Bekannter sie dort, ob er sie mitnehmen könne. Doch Katrin lehnt dankend ab, denn sie kennt den Fahrstil ihres Bekannten. Diese Begegnung ist das letzte sichere Lebenszeichen von ihr.

Zwanzig Minuten später beobachtet eine Zeugin Folgendes: Ein Auto hält an der Bushaltestelle. Der Fahrer spricht mit einem jungen Mädchen, das aussieht wie Katrin Konert. Die Zeugin glaubt, dass es sich um einen schwarzen BMW mit Berliner Kennzeichen handele. Die Polizei hält es für möglich, dass Katrin in dieses Auto gestiegen ist.

"Es sind nach der XY...ungelöst-Sendung neue Hinweise eingegangen, die wir seither bearbeiten", sagt Oberkommissar Rusche. Bis nach Kanada und in die Türkei führten diese. Zudem nehmen er und seine Kollegen sich alte Spuren vor. "100 haben wir durch, insgesamt sind es 560 neue und alte." Eine heiße Spur ist nicht dabei - wie eigentlich immer. Auch als es 2006 Katrins Schwester plötzlich einen mysteriösen Anruf erhält. Eine Frau mit osteuropäischem Akzent sagt, es ginge um ihre verschwundene Schwester. "BMW, schwarz, Hamburg", sagt die Unbekannte. Dann bricht die Verbindung ab. Die Polizei findet heraus, dass der Anruf aus einer Telefonzelle in Nürnberg kam. Mit derselben Telefonkarte wurden von dort aus mehrere Gespräche - unter anderem nach England und zum Berliner Landeskriminalamt - geführt.

"Ich weiß in diesem Fall heute genau soviel wie am 1. Januar 2001, dem Tag des Verschwindens, als sich die Spur an der Bushaltestelle in Bergen verliert", sagt Rusche. Die große Schwierigkeit sei, dass nichts von Katrin Konert jemals gefunden wurde: keine Kleidung, kein Handy oder sonstige persönlichen Dinge. Und sämtliche Ermittlungsverfahren gegen Tatverdächtige wurden eingestellt. "Wir sind keinen Schritt weiter."

Rusche weiß, dass er kaum eine Chance hat, die Wahrheit durch weitere Zeugenbefragungen herauszufinden. "Das bringt nichts, weil es viel zu lange her ist. Niemand kann heute mehr vernünftige Antworten über das Geschehen geben." Er setze auf "Kommissar Zufall", so der Ermittler. "Vielleicht spricht eines Tages jemand, der bis jetzt geschwiegen hat. Vielleicht jemand aus dem Umfeld der Vermissten oder sonst wer." Schließlich habe der Zufall auch den Kollegen der "Soko Dennis" geholfen. Im April dieses Jahres gestand ein 40-jähriger Mann nach seiner Festnahme drei Morde. Der sogenannte Maskenmann, von dem es lange überhaupt keine Spur gab, muss sich zurzeit vor dem Landgericht in Stade verantworten. Ihm werden neben 45 Missbrauchsdelikten fünf Morde in Norddeutschland, Westfrankreich und den Niederlanden zur Last gelegt, die er seit 1992 begangen haben soll.

Zur Familie von Katrin Konert hat Oberkommissar Rusche noch Kontakt. "Sie haben sich zwar mit ihrem Schicksal abgefunden. Aber trotz allem glauben sie, dass Katrin noch lebt", sagt er. Sein Gefühl sage ihm jedoch, dass die Vermisste nicht mehr lebe. "Das ist am wahrscheinlichsten", so Rusche. Dennoch denkt er nicht daran aufzugeben. "Es dürfte immerhin eine Straftat vorliegen, für die der Täter zur Rechenschaft gezogen werden muss." Überdies seien sie es der Familie schuldig, weiter zu ermitteln. "Sie will Gewissheit."

Wenn aber alle 560 Hinweise abgearbeitet sind, so der Leiter der Ermittlungsgruppe, werde die Akte Katrin Konert endgültig geschlossen. Niemand weiß, wie lange das noch dauern wird.