Die Sozialdemokraten im Bund stellen sich trotz Bedenken nicht kategorisch gegen Dobrindts Pläne. Viel schwerer wird es der Verkehrsminister in Brüssel und bei den Bundesländern haben.

Am Tag danach werden die Fronten klar. Nachdem Alexander Dobrindt (CSU) am Montag seine Maut-Pläne vorgestellt hat, zeichnet sich ab, wo der Bundesverkehrsminister mit grundsätzlichem Widerstand rechnen muss – und wo nicht. Nicht beim Koalitionspartner SPD. So scharf die Sozialdemokraten lange Zeit gegen eine nur Ausländer belastende Straßennutzungsgebühr polemisierten, so moderat drücken sie sich jetzt aus.

„Wir werden die Maut in derselben Weise kritisch begleiten, wie es die Union bei den SPD-Projekten Mindestlohn und Rentenpaket getan hat“, sagte der Vorsitzende des Bundestagsverkehrsausschusses, der Sozialdemokrat Martin Burkert, der „Welt“. Sinngemäß erfüllt er damit eine Forderung von CSU-Chef Horst Seehofer. Der hat von der SPD verlangt, diese CSU-Idee so mitzutragen, wie es die Union zuvor bei SPD-Vorhaben getan habe.

Zwar sieht Burkert noch Klärungsbedarf, etwa in der Frage, wie die Länder am Aufkommen aus der für alle Straßen erforderlichen Maut beteiligt werden. Zudem hält Burkert den Ertrag für unzureichend. Die realen Mehreinnahmen – laut Dobrindt jährlich 600 Millionen Euro aus dem Vignettenverkauf an Ausländer, die ja anders als Deutsche nicht in entsprechender Höhe bei der Kfz-Steuer entlastet werden sollen – würden nicht genügen, um den Finanzbedarf bei der maroden Verkehrsinfrastruktur zu decken. Offene Fragen sollen erstmals am 8. Oktober bei einer Anhörung im Verkehrsausschuss besprochen werden.

Zustimmung zur Lkw-Befreiung

Doch ein kategorisches Nein kommt von den Sozialdemokraten nicht, auch nicht zu Dobrindts Plan, Lastwagen von der neuen Vignettenpflicht auszunehmen. Dobrindt will Lkws ab 7,5 Tonnen nur auf Autobahnen und immer mehr Bundesstraßen bemauten, nicht aber auf Landes- und Kommunalstraßen, für die Pkw-Halter zu zahlen hätten. Und Kleinlaster sowie Sprinter zwischen 3,5 und 7,49 Tonnen sollen ganz mautfrei leiben.

Dem stimmt Burkert zu: Der SPD lägen „die Handwerker und der Mittelstand“, die solche Fahrzeuge nutzen, „besonders am Herzen“. Nur in einem Punkt ist Burkert eisern: „Wir wollen ein deutliches Votum aus Brüssel.“ Die EU-Kommission müsse den Plänen bescheinigen, Ausländer nicht zu diskriminieren.

Damit ist angesprochen, wo Dobrindt auf grundsätzlichen Widerstand stoßen könnte. Zwar unterstützt die EU-Kommission eine Nutzergebühr an sich, weil Verkehrskommissar Siim Kallas der Erhalt der Infrastruktur ein Anliegen ist und zweckgebundene Einnahmen willkommen sind.

Brüssel warnt vor Tricks

Klar ist aber, dass Brüssel keine Diskriminierung duldet – was eine einst „Ausländermaut“ genannte Abgabe wäre: „Das geht nicht, das ist das kleine Einmaleins der Nichtdiskriminierung“, sagte ein hoher Vertreter der Behörde. So viel ist auch in Berlin angekommen, hofft Kallas: „Wir sind bereit, mit der Bundesregierung zu arbeiten, um sicherzustellen, dass das neue System im Einklang mit EU-Recht und insbesondere dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung steht“, sagte sein Sprecherin.

Die Kommission will sich nicht austricksen lassen. Eine schlichte Gegenrechnung der neuen Einnahmen mit einer Senkung der Kfz-Steuer hält sie für problematisch: „Wenn die Kfz-Steuer im Kontext der Einführung von Straßenbenutzungsgebühren verändert wird, sollte dies nicht darauf gerichtet sein, ausländische Fahrzeughalter zu benachteiligen“, sagte die Sprecherin.

„Jeder sollte einen fairen Anteil für die Nutzung und Pflege zahlen“, fügte sie hinzu. „Der Minister scheint zu versuchen, dies zu berücksichtigen. Allerdings müssen wir dazu erst alle Details sehen.“ Bis dahin gebe es „kein grünes oder rotes Licht“. Die Kommission gehe „davon aus, dass Deutschland alles tun wird, um das EU-Recht in Buchstaben und Geist einzuhalten“.

Große Skepsis in den Bundesländern

Ist somit aus Brüssel irgendwann ein klares Ja oder Nein zu erwarten, so deutet bei den Bundesländern, die mitentscheidungsberechtigt sein dürften, alles auf eine mühsame Kompromisssuche hin, bei der Geld eine Rolle spielen dürfte. Einerseits gibt es in den Ländern Bedenken, auch in der Union. Sowohl wegen nationaler „Kleinstaaterei“, vor der der nordrhein-westfälische CDU-Landeschef Armin Laschet warnt, als auch wegen der Folgen für den kleinen Grenzverkehr zu Nachbarstaaten.

Hiervor warnte am Dienstag auch die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Julia Klöckner aus Rheinland-Pfalz. Ähnlich hatte sich schon der NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) geäußert.

Hinzu kommt, dass Grüne und Linke, die über ihre Länderbeteiligungen unter Umständen eine Verhinderungsbastion im Bundesrat errichten könnten, die Maut-Pläne klar ablehnen. Vehement macht dies der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne).

Grüne strikt dagegen

„Unter der neuen Ausländer-Maut werden vor allem die Grenzregionen leiden“, sagte Hermann der „Welt“. Schweizer, Franzosen oder Österreicher, „die gerne bei uns einkaufen, müssen künftig erst einmal eine Zufahrtsgebühr nach Deutschland zahlen“. Da müssten jene Leute „schon viel einkaufen, dass sich das Shoppen im Nachbarland noch lohnt“.

Genauso deutlich spricht sich Hermann gegen die Maut-Befreiungen für Lkws aus. „Nicht der Pkw eines Ausländers macht unsere Straßen kaputt, sondern die riesige Menge des Lkw-Verkehrs“, sagte Hermann. Dass Lkws anders als Pkws von der Abgabe für das nachgeordnete Straßennetz befreit bleiben sollten, sei „geradezu eine Einladung für Lkws, die Mautstrecken zu meiden und ins nachgeordnete Netz auszuweichen“.

Andererseits können die Länder für ihre Verkehrsetats jeden Euro gut gebrauchen. Zahlreiche Länder und auch der Städtetag haben bereits verlangt, am Maut-Aufkommen beteiligt zu werden – und genau dies bietet ihnen Dobrindt an. Durchaus denkbar ist daher, dass die Länder bei einem attraktiven Angebot zustimmen. Ein Meinungsbild dazu kann es am Freitag bei einer Sonderkonferenz der Verkehrsminister geben.