Brandmeister der Freiwilligen Feuerwehr Lüneburg wird bei Einsatz in Silvesternacht von Passanten angegriffen. Gewalt gegen Beamte steigt.

Lüneburg. Ein Routineeinsatz in der Silvesternacht wurde für Christian Sachse zu einem Erlebnis, das ihm sehr negativ im Gedächtnis bleiben wird. Als Ortsbrandmeister wurde er mit seinen Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Lüneburg zu einem brennenden Altpapiercontainer in der Wilhelm-Leuschner-Straße im Stadtteil Kaltenmoor gerufen. Insgesamt neun kleine Löscheinsätze leisteten die Rettungskräfte in der Nacht zum Jahreswechsel in der Hansestadt, beim letzten wurde einer der Helfer selbst zum Opfer: Ein Passant suchte Streit und verletzte Sachse mit einer Kopfnuss im Gesicht. Über diesen einmaligen Vorfall ist der seit 34 Jahren in der Feuerwehr und davon 17 Jahre als Brandmeister engagierte Lüneburger fassungslos.

"Solche tätlichen Angriffe werden in den städtischen Gebieten leider zunehmend zum Alltag", sagt Markus-Björn Peisker, Sprecher der Lüneburger Brandschützer. "Das habe ich auch schon am eigenen Leib erfahren." Peisker ist an sechs bis sieben Wochen im Jahr als Brandmeister bei jedem Einsatz der Feuerwehr dabei. Im vorigen Jahr wurde er dabei dreimal von Passanten an der Einsatzstelle angegangen. "Das darf nicht zur Normalität werden", so Peisker. "Es ist nicht hinzunehmen, dass die ehrenamtlichen Helfer bei ihren ohnehin nicht ungefährlichen Einsätzen Angst haben müssen vor halbseidenen Gestalten."

Beamte der Polizei müssen seit jeher mit gewalttätigen Übergriffen im Dienst rechnen. Doch neben flüchtenden Verbrechern reagieren zunehmend auch umherstehende Passanten aggressiv. Die Polizeiinspektion Lüneburg/ Lüchow-Dannenberg/ Uelzen registrierte im vorvergangenen Jahr 104 Fälle von Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Betroffen waren 119 Polizisten. Elf Beamte erlitten Verletzungen, die in drei Fällen zu einer durchschnittlich 36 Arbeitstage dauernden Dienstunfähigkeit führten.

Eine Zunahme von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr gab es 2011 im Landkreis Stade. Dort weist die Statistik 45 Anzeigen wegen dieser Straftat aus. "Der Anstieg der Widerstandshandlungen lässt sich mit einer grundsätzlich gestiegenen Gewaltbereitschaft gegenüber Staatsorganen erklären", sagt Peter Hoppe, Polizeisprecher im benachbarten Heidekreis, wo sich im vorvergangenen Jahr Polizisten in 66 Fällen gegen Angreifer zur Wehr setzen mussten. "Bei den Tatverdächtigen war in 49 Fällen Alkohol im Spiel."

Eine besonders krasse Konfrontation mit der Polizei lieferte sich im vorigen Jahr beispielsweise ein 41-Jähriger, der in der Buchholzer Wohnung seiner Ex-Freundin randalierte und sich später betrunken ans Steuer seines Autos setzte. Als er von der alarmierten Polizei gestoppt und zur Blutprobe aufgefordert wurde, reagierte er aggressiv. Um ihn zu überwältigen, waren drei Polizeibeamte erforderlich.

Dennoch gibt die Entwicklung im Landkreis Harburg, wo es seit schweren Vorfällen in der Silvesternacht zum Start ins Jahr 2009 schwere Auseinandersetzungen in Winsen und Meckelfeld gab, Hoffnung. "Als Reaktion darauf haben wir in Zusammenarbeit mit der Polizei im Landkreis Harburg viel Präventionsarbeit geleistet", sagt Feuerwehrsprecher Matthias Köhlbrandt. "Wir versuchen auch weiterhin zu vermitteln, warum wir Ehrenamtlichen auch in unserer Freizeit bereitstehen, um hilflosen Menschen in Notsituationen zu helfen."

Ähnlichen Problemen wie viele Feuerwehrleute begegnen auch die Hilfskräfte der Rettungsdienste in der Region. An der Kreuzung der Moorstraße mit der Wilstorfer Straße in Harburg sprang vor rund einem Jahr ein Betrunkener auf das hintere Trittbrett eines vor der roten Ampel wartenden DRK-Rettungswagens, um das Fahrzeug ins Schaukeln zu bringen. Als einer der Rettungssanitäter an Bord des Krankentransportes ausstieg, würgte ihn der Angreifer. Der Mann riss den Sanitäter zu Boden, trat und schlug auf ihn ein und gab erst auf, als sich sein Opfer mit Pfefferspray wehrte. Die Polizei nahm den mutmaßlichen Täter fest. Insgesamt fünf solcher Angriffe auf Feuerwehr- und Rettungsdienstmitarbeiter gab es 2011 im Bezirk Harburg und einen weiteren im zu Hamburg-Mitte zählenden Wilhelmsburg.

Der bei dem Angriff in der Silvesternacht leicht verletzte Lüneburger Ortsbrandmeister Sachse hat das Krankenhaus nach einer ambulanten Behandlung wieder verlassen können. Am Mittwoch erstatteten er persönlich sowie die Stadtverwaltung Strafanzeigen gegen Unbekannt. Die Freiwillige Feuerwehr Lüneburg will sich unabhängig von der möglichen Festnahme des Täters vor ähnlichen Übergriffen schützen. Feuerwehrsprecher Peisker: "Das jüngste Ereignis in Kaltenmoor wird den Einsatzführungsdienst und sein Vorgehen in bestimmten Situationen beziehungsweise in bestimmten Bereichen der Hansestadt Lüneburg künftig nachhaltig beeinflussen."