Streit vor Gericht um Internetadressen und Markenrechte: Seit vier Unternehmer aus dem bis dato einzigen Verein ausgetreten sind, kracht es.

Lüneburg. Sie ist eine Internetadresse wie Zigmillionen andere: Eine, die nicht immer hält, was sie verspricht. Die mit Sicherheit zu einem Ziel führt, dabei aber - vielleicht beabsichtigt - auch ein wenig in die Irre: www.taxi-adendorf.de . Wer sie mit der Tastatur seines Computers eintippt, landet also wohl auf der Seite einer Taxivermittlung. Mitnichten aber in Adendorf bei Lüneburg, sondern in der benachbarten Kreisstadt selbst. Und schon gar nicht bei Ute Reimer, der in Adendorf ansässigen Taxiunternehmerin, sondern bei ihren Mitbewerbern.

Ein klarer Fall unlauteren Wettbewerbs, meint Reimer. Deshalb ist sie vors Landgericht Lüneburg gezogen. Und hat dort einen - aus ihrer Sicht - kleinen Erfolg verbucht, einen Vergleich. Der von ihr Beklagte, ein 1965 gegründeter Verein mit dem herrlich altmodischen Namen "Verein Lüneburger Kraftdroschkenbesitzer", hat sich verpflichtet, die Domain künftig nicht mehr zu nutzen, sondern sie Reimer zu überlassen. Mit allen anderen Dörfern rings um Lüneburg herum wollen die organisierten Kraftdroschkenbesitzer ähnlich verfahren.

Ob der Streit damit endgültig vom Tisch ist, erscheint fraglich. Denn um Internetadressen geht es hier nur vordergründig. Es ist ein Streit, der seinen Ausgang nahm, nachdem vor etwa einem halben Jahr vier Mitglieder aus dem Verein ausgetreten waren. Sie machen seitdem ihr eigenes Ding: Lackieren ihre Fahrzeuge wie amerikanische Taxis gelb mit schwarz-weißem Karoband darauf, unterhalten eine eigene Kooperation und bedienen mit zusammen 30 Fahrzeugen vor allem die Gemeinden Adendorf, Bleckede und Gellersen.

So ist es in Wirklichkeit ein Streit zwischen Establishment und Abtrünnigen, zwischen elfenbeinfarben und bunt, zwischen "Alles soll so bleiben, wie es ist" und "Alles soll anders werden". Es ist ein Streit, über den Norbert Holzwarth, Vorsitzender des Kraftdroschkenbesitzer-Vereins, nur eines sagt: "Aus meiner Sicht gibt es keinen Streit."

Trotzdem sitzen sie sich nun gegenüber im ersten Stock des Landgerichts. Holzwarth, ein kräftiger Mittvierziger im Tweedjackett, der seine Haare zum Pferdeschwanz gebunden hat. Und Ute Reimer, die pikanterweise bis März 2010 für den Verein gearbeitet hat, als Disponentin. In dieser Funktion hat sie Fahrten auch von und nach Adendorf vermittelt. Heute trägt sie eine blaue Kunststoffjacke mit dem Aufdruck "Autoruf Adendorf". Auf der Rückseite steht in kleinen Buchstaben: "Fahr gelb ...und gut".

Ja, früher sind sie mal eine große Taxifamilie gewesen im Landkreis. Jetzt liegen sie im Clinch. Und während drinnen im Saal verhandelt wird, treffen sich die Fahrer am Taxistand, der dem Gerichtsgebäude gegenüber am Marktplatz liegt, zur Zigarettenpause. "Überall gibt's Fusionen", sagt einer, "und bei uns macht jetzt jeder sein eigenes Ding." Ob das wohl gut sei? Er zuckt mit den Schultern. "Ich bin nur Fahrer."

Klaus-Rainer Strunk, Vorsitzender der 7. Zivilkammer, ist ein besonnener Mann mit freundlich funkelnden, beinahe gütigen Augen. Seine Aufgabe ist es eigentlich, den Sachverhalt aus juristischer Sicht zu beurteilen. Was er zunächst auch macht. Schnell wird klar: Er hält Reimers Klage nicht für völlig abwegig. Strunk: "Die Frage lautet: Wird mit der Internetadresse Adendorf suggeriert, es werde Zugang zu allen Taxis in Adendorf gewährt? Wird beim Verbraucher die Erwartung gehegt, er bekomme ein Taxi innerhalb einer bestimmten Zeitspanne?" Und, so Strunk, noch wichtiger: "Wird suggeriert, ich bekomme einen Adendorfer Anbieter?"

Streit um Internetadressen ist ein ernstes Thema, das wird schnell deutlich. Aber der Richter ist Pragmatiker, er appelliert angesichts hoher Anwalts- und Gerichtskosten an die Parteien: "Der Streitwert ist hoch. Sie sollten überlegen, ob Sie das Geld nicht vielleicht lieber in ein neues Auto investieren wollen." Sein Vorschlag zur Güte: "http://www.lueneburg-taxi-in-adendorf.de" und "lg-taxi-in-adendorf.de".

Zuerst willigt Ute Reimer ein, kurz darauf auch der Kraftdroschkenbesitzer-Vorsitzende Holzwarth. Der muss allerdings noch alle Vereinsmitglieder, 21 an der Zahl mit 40 Fahrzeugen, zusammentrommeln, um über seine Entscheidung abstimmen zu lassen.

Es könnte jetzt alles gut sein, ist es aber nicht. Der Nährboden für neuen Streit ist fruchtbar, darauf dürfte bald einer um die Buchstaben "LG" gedeihen, dieselben beiden Letter, die in einer der neuen Internetadressen auftauchen. Denn unter dem Firmennamen "LG Taxi" hat Stefan Heins aus Bleckede, einer der vier Abtrünnigen, in Lüneburg Wagen laufen. LG wie Lüneburg. In eine GmbH namens "LG Taxi" will just nun aber auch der Verein Lüneburger Kraftdroschkenbesitzer umfirmieren. "LG wie Leistungsgemeinschaft", sagt Norbert Holzwarth. Beide haben sich bereits vor der Kammer für Patent- und Markenrecht am Landgericht Braunschweig getroffen, denn der Verein hat "LG-Taxi" als Wortmarke schützen lassen, Heins führt die Letter als Geschäftskennzeichnung. Beide haben schon Internetadressen reserviert. Mit Bindestrich die eine, ohne die andere...