Nicht jeder hat Lust oder die Möglichkeit, im Sommer zu verreisen. Aber der alte Satz “Warum in die Ferne schweifen, siehe, das Gute liegt so nah“ hat auf jeden Fall seine Berechtigung. Die Rundschau stellt Ziele für den Urlaub daheim vor. Diese Woche Führungen. Heute: kulinarische Stadtrunde.

Lüneburg. Lüneburg hat ein schickes Rathaus, interessante Giebel und eine malerische Altstadt. Doch in Lüneburg gibt es auch eine Bäckerei, die schon im Mittelalter Brot gebacken hat und eine Apotheke, die im 17. Jahrhundert erstmals Kaffee ausschenkte. Auch Kräuter und Gewürze wie Giersch, Galgant und Hirtentäschel gibt es zu kaufen. Die verfeinerten schon im Spätmittelalter die Gerichte der Lüneburger. Die Stadt nicht nur sehen, sondern auch schmecken und riechen, das geht bei Nicola Rouette-Lauer in der "Kulinarischen Stadtführung".

Am Sande geht es los, denn hier steht die älteste Bäckerei Lüneburgs: Seit 1493 wird im Haus der heutigen Bäckerei Hesse Brot gebacken. "Unsere Familie arbeitet schon in der vierten Generation im Bäckerhandwerk. Wir sind hier seit 1905", sagt Renate Hesse und reicht ein Korb mit Butterbroten herum. Zum Probieren gibt es unter anderem auch das "Anno Krüstchen", ein Brot, gebacken aus der Weizenurform "Emmer". "Daraus stellten die Lüneburger im Mittelalter einen Brei her, der eines der Hauptnahrungsmittel der ärmeren Bevölkerung war", so Rouette-Lauer. Emmer geriet irgendwann in Vergessenheit. Heute seien die alten Getreidesorten wieder im Trend.

Gern haben die reichen Lüneburger ihre Speisen mit allerlei Kräutern und mit Salz gewürzt, das es nun mal in Lüneburg reichlich gab. "Besonders die Patrizier zeigten, indem sie die Speisen kräftig salzten und viele Gewürze beimengten, ihren Reichtum, denn beides war teuer", erklärt die Gästeführerin. "Für unseren Gaumen wäre das Essen von damals kaum genießbar."

Von den Kräutern, die vor vielen hundert Jahren in den Kochtöpfen schmurgelten, vermittelt Lars Menzel in seiner Kräuterwerkstatt Am Berge einen Eindruck. "Paradieskörner waren ein beliebter Ersatz für Pfeffer", erklärt Menzel und reicht eine Dose mit kleinen schwarzen Körnchen herum. "Sie sind nicht ganz so scharf wie Pfeffer und haben einen leicht blumigen Geschmack." Und Völkerkundlerin Rouette-Lauer ergänzt: "Die Paradieskörner kamen von der westafrikanischen Küste und waren, wenn auch immer noch teuer, doch erschwinglicher als Pfeffer, den Kolumbus aus der Neuen Welt mit brachte."

Gesüßt wurde im Mittelalter nicht mit Zucker, sondern mit Honig und so ist die nächste Station ein Honigladen an der Apothekenstraße. Ganz in der Nähe steht auch die Raths-Apotheke. Die schenkte in Lüneburg Ende des 17. Jahrhunderts erstmals Kaffee aus. "Denn die Apotheker handelten mit Kräutern, Gewürzen, Kakao und eben Kaffee", so Nicola Rouette-Lauer.

Zurück in die Neuzeit und deren Genüsse geht es zum Abschluss der Tour: Es gibt handgefertigte Pralinen in der Schokoladenmanufaktur Am Sande und Kaffee in der Kaffeerösterei Ratzsch Am Berge.

Nach mehr als zwei Stunden ist die Genussreise zu Ende. Zurück bleibt eine Ahnung, wie das Essen im Mittelalter schmeckte und wie groß der Unterschied zwischen den Speisen der Armen und Reichen war. Gewiss ist: Das Lüneburg von heute hat kulinarisch für alle viel zu bieten.