Die Polizei bereitet sich auf den Castor-Transport vor. Am 24. November soll der Zug mit den Transportbehältern in Frankreich losfahren.

Lüneburg. Stacheldrahtrollen hat die Polizei auf den Trägern der Eisenbahnbrücke über den Elbe-Seitenkanal bei Wendisch Evern angebracht. Auch den Raum zwischen Brückengeländer und Schienen füllt der sogenannte Nato-Draht. Rot-weiß gestreiftes Trassierband mit der Aufschrift "Polizei" zieht sich durch die Drahtrollen. "Wir haben diesen Punkt früh in den Objektschutz aufgenommen, damit sich keine Aktivisten abseilen und versuchen, Plakate anzubringen", sagt Ralf Göttner (57), Pressesprecher der Bundespolizei in Hannover.

Am 24. November sollen die elf Atombehälter aus Frankreich in Richtung Wendland rollen. Drei Tage später dann, am ersten Advent, wird der Transport in Gorleben erwartet. Auch eine spätere Ankunft sei möglich, so das Innenministerium in Hannover. Das hätten die Verzögerungen früherer Transporte gezeigt. Damit sich keine Aktivisten wie 2008 an der Brücke bei Wendisch Evern abseilen und Plakate aufhängen, hat die Bundespolizei seit einigen Wochen neuralgische Punkte entlang der Strecke gesichert. Dazu zählen auch die Eisenbahnbrücke im Lüneburger Wald Tiergarten und die Jeetzel-Brücke bei Seerau.

Rund um die Uhr ist die Bundesbereitschaftspolizei im Einsatz. Zahlen zur Mannschaftsstärke nennt Göttner nicht. Er ist seit den ersten Polizeieinsätzen im Wendland Ende der 1970er Jahre dabei. Anfangs als Führer einer Einsatzeinheit, nun als Pressesprecher.

Unauffällig bewegen sich die Beamten im Gelände, stets ein Fernglas dabei. Darunter auch Marc Hirsch. Er gehörte der Zweiten Einsatzhundertschaft aus Uelzen an, die Kräfte für die Beobachtung stellt. Sie arbeiten rund um die Uhr im Schichtdienst. "Wenn man aus Uelzen kommt, dann ist man an dieser Strecke beheimatet", so der 35-Jährige Hirsch. "Wir sind personell an der Brücke gut aufgestellt und darüber hinaus wirkt die Absperrung abschreckend."

Außerdem habe man das eine oder andere technische Gerät angebracht, um das Gelände zu überwachen, sagt Polizeihauptkommissar Göttner (57). Der Aufgabenbereich der Polizisten ist klar geregelt: "Wir sind als Polizei neutral und haben das Versammlungsrecht zu gewährleisten. Als Vertreter der Bundespolizei werden wir keine Straftaten dulden. Und Schottern ist eine Straftat. Abgesehen davon, dass sich die Leute dabei selbst in Gefahr bringen." Beim "schottern" wühlen Aktivisten den Schotter unter den Gleisen heraus.

+++ Opposition will sofortige Absage des Castor-Transports +++

Während die Bundespolizei für die Sicherung des Atommüll-Transports auf der Schiene verantwortlich ist, sichert die Landespolizei die Beförderung auf den letzten Kilometern Straße von Dannenberg bis ins Zwischenlager Gorleben. "Die Belastung in der Vorphase ist erträglich", sagt Torsten Oestmann, Pressesprecher der Polizeidirektion Lüneburg, "noch arbeiten wir relativ normal im Schichtdienst." Ihm zur Seite steht Wiebke Hennig. Die 35-jährige Oberkommissarin: "Die Kollegen sind normal auf Streife. Unsere Einsatzmittel sind Streifenwagen und Bulli. Damit sind wir seit einigen Wochen unterwegs."

Sobald sich der konkrete Castor-Einsatz nähere und Überstunden unumgänglich seien, komme man mit dem Personalrat ins Gespräch. Der muss den zusätzlichen Dienstzeiten zustimmen. "Im vergangenen Jahr hatten wir gewaltige Überstunden und 30-Stunden-Schichten. Da wird es für die Beamten schon schwieriger, ruhig und gelassen zu reagieren - aber das haben sie trotzdem prima gemacht", so Hennig.

Nachdem am Atommüll-Zwischenlager in Gorleben erhöhte Strahlenwerte gemessen worden waren, hat die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) in Niedersachsen einen Castor-Stopp gefordert. "Wenn hier nicht alle Zweifel für eine gesundheitliche Gefährdung beseitigt werden, darf der Castor nicht rollen", erklärte der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Thomas Kliewer.

"Die Strahlung der Castor-Behälter wird vor dem Transport gemessen", so der 47-jährige Polizeidirektor Oestmann. "Den Ergebnissen und der anschließenden Bewertung durch das Bundesumweltministerium vertrauen wir". Kollegen nahe am Castor werden mit Strahlenmessgeräten, den Albedo-Dosimetern ausgestattet. Unterschreitet jemand den Sechs-Meter-Radius um die Castoren, wird das registriert und dokumentiert.

+++ Dossier zur Endlagersuche +++

Auch in diesem Jahr rechnet die Polizei mit Straftaten. "Ich finde friedliche, kreative Proteste gegen den Castor total in Ordnung", sagt Oestmann. "Wenn wir aber Straftaten sehen, müssen wir einschreiten." Dazu gehört aus Sicht der Staatsanwaltschaft und Polizei neben dem Schottern auch das Anketten von Personen an die Gleise.

"Doch sind wir durchaus in der Lage, zu differenzieren. Es ist schon ein Unterschied, ob generell friedliche Leute auf der Straße sitzen oder jemand schottert oder sogar Steine auf uns wirft", sagt Oestmann. Solange die Demonstranten friedlich die Gleise entlang laufen, lassen die Beamten sie gewähren. Sollten die Demonstranten aber andere Aktionen starten, "werden auch wir reagieren".

Als inakzeptable Aktionsform des Protests nennt Oestmann auch die Traktor-Blockaden: "Wenn Traktoren unsere Logistik blockieren, werden wir alles daran setzen, sie zu beseitigen. Zunächst suchen wir natürlich das Gespräch, aber notfalls werden wir die Traktoren auch mit Zwang beiseite räumen oder gar sicherstellen."

Die Pressesprecher aus Lüneburg sind sich sehr wohl der Tatsache bewusst, dass viele Polizeibeamte gegen die Nuklearenergie sind. Letztlich aber gelte der Auftrag, der durch Gesetzgebung und Rechtsprechung festgelegt werde. Deshalb steht die Polizei auf der einen Seite der Absperrung, die Anti-Atomkraft-Aktivisten auf der anderen. Noch aber ist alles ruhig in und um Lüneburg. Ändern wird sich das mit der Abfahrt des 13. Castor-Transports aus der Wiederaufarbeitungsanlage im französischen La Hague.