Speditionen suchen nach Fahrern. Für Lkw-Einsteiger ist eine dreijährige Ausbildung vorgeschrieben. 15 Stellen im Landkreis Harburg ausgeschrieben.

Lüneburg/Seevetal. "Das ist mein Transporter", sagt Julian Lange stolz und nimmt am Steuer eines Renault Master Platz. Der 3,5-Tonner dient bei der Sprinter Transport Service (STS) GmbH in Seevetal als Übungsfahrzeug. Lange absolviert dort seit August 2010 eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer. Nachdem er im ersten Lehrjahr den Führerschein Klasse B gemacht hat, übernimmt er für die Spedition mit 46 Mitarbeitern Tagestouren in Norddeutschland.

An Berufsschultagen nimmt Lange nachmittags Unterrichtsstunden für die Führerscheine der Klassen C und CE. Sie kosten dem Ausbildungsbetrieb etwa 4000 beziehungsweise 1500 Euro und erlauben das Fahren schwerer Lkw beziehungsweise Lastwagen mit Anhänger. Wenn der 20-Jährige aus Fleestedt diese Prüfungen besteht, geht es in seinem dritten Lehrjahr auf große Tour im Sattelzug.

Bei der Ausbildung zum Berufskraftfahrer geht es aber um mehr als Lastwagenfahren. Die Lehrlinge erhalten Einblicke in die Aufgaben der Warendisposition und Lagerlogistik am Computer, den Reparaturen und Kontrollen in Lkw-Werkstätten sowie verwandte Aufgaben wie das sichere Be- und Entladen der Lastwagen mit Gabelstaplern. Die monatliche Ausbildungsvergütung beträgt im ersten Lehrjahr knapp 600 Euro und steigt pro Jahr um etwa 50 Euro.

Ein ausgelernter Berufskraftfahrer verdient laut Tarifvertrag knapp zehn Euro pro Stunde. "In der Regel zahlen die Arbeitgeber aber ein Pauschalgehalt zwischen 1400 und 2100 Euro, mit dem auch alle Überstunden abgegolten sind", erklärt Jürgen Jakobs, zuständiger Sekretär der Gewerkschaft ver.di in Niedersachsen und Bremen. "Schlechte Bezahlung, aber auch überlange Arbeitszeiten und ständiger Druck, die gesetzlichen Lenkzeiten zu überschreiten, bestimmen den Berufsalltag", so Jakobs. "Soziale Bindungen der Arbeitnehmer und Familienfreundlichkeit sind hier nicht gefragt."

Dieses Problem kennt Eike Michelsen aus eigener Erfahrung: "Ich bin seit vier Wochen immer erst am Sonnabend nach Hause gekommen", sagt der 20-Jährige aus Himmelpforten. Eigentlich hat er am Wochenende frei, doch auf der Autobahn läuft es oft nicht so flüssig, wie es der Zeitplan vorsieht. "Mit meiner Freundin gab es deswegen schon Ärger, denn manchmal muss ich am Sonntagmorgen schon wieder weiter."

Michelsen war 2008 einer der ersten Berufskraftfahrer-Azubis in der Region. Er hat im Juli seine dreijährige Ausbildung mit der Note Zwei abgeschlossen und wurde danach von der Spedition Pape in Hollern-Twielenfleth übernommen. "Ich habe mich immer schon für Lkw interessiert", erzählt er vom Fahrersitz eines 40-Tonners. "Fernfahrer war einmal mein Traumberuf", sagt er. Doch die Umstände nerven ihn manchmal.

Oliver Brandt betont, dass der Arbeitalltag eines Berufskraftfahrers nicht zwingend aus Marathonfahrten durch Europa, Nächten auf dem Rastplatz und dem Essen in Autobahnrestaurants bestehen muss. "Den Großteil der Lkw-Fahrten macht der Nahverkehr aus", sagt der Projektmanager der Süderelbe AG. Der gleichnamige, vor einem halben Jahr gegründete Ausbildungsverbund soll die Kräfte der beteiligten Logistikfirmen bündeln und wirbt seit September mit der Kampagne "Mit Bock aufn Bock" für die Berufsausbildung.

Hintergrund für das Bemühen um ein besseres Image des Fahrerjobs ist der immer größer werdende Nachwuchsmangel: Laut Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz ist die Ausbildung für alle neuen Fahrer im gewerblichen Güterverkehr mit Fahrzeugen ab 3,5 Tonnen Gesamtgewicht vorgeschrieben. Wer seinen Lkw-Führerschein vor dem 9. September 2009 besessen hat, genießt Bestandsschutz. "In den Fahrerkabinen der Lastwagen sieht man immer mehr Männer mit grauen Haaren", beschreibt Brandt das Problem, dass viele Lkw-Fahrer kurz vor dem 65. Lebensjahr stehen und damit bald in Rente gehen.

"Wir stehen vor einer großen Herausforderung", sagt Brandt. "Im Süden der Metropolregion Hamburg sind 3400 Lkw-Fahrer im Alter zwischen 50 und 64 Jahren." Das entspricht einer Quote von etwa 36 Prozent der Beschäftigten. Deutschlandweit müssen laut Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung jährlich bis zu 20 000 Stellen neu besetzt werden. Im vorigen Jahr standen dem nur etwa 2100 Auszubildende gegenüber. In den vergangen Jahren konnte der Bedarf der Speditionen unter anderem durch ehemalige Lkw-Fahrer der Bundeswehr gedeckt werden.

"Die Unternehmen haben in der Vergangenheit kaum selber ausgebildet", erklärt ver.di-Sekretär Jakobs. "Der Fachkräftemangel in der Transport- und Logistikbranche ist hausgemacht." Diesem Vorwurf an die Arbeitgeber steht gegenüber, dass die Fuhrunternehmer in der südlichen Metropolregion durchaus in ihre Fahrer von morgen investieren. Allein die elf Ausbildungsbetriebe aus dem Landkreis Harburg haben in diesem Jahr 15 Stellen ausgeschrieben.

Die ausbildungswilligen Betriebe sind aber nicht immer in der Lage, geeignete Bewerber zu finden. Der regionale Ausbildungsmarktbericht für das vorige Jahr weist lediglich 26 "unversorgte Bewerber" aus.

Für Julian Lange ist die Zeit der Jobsuche erst mal vorbei. Nach seiner Ausbildung hat er sehr gute Aussichten, denn Logistik-Fachkräfte werden noch lange sehr gefragt sein. Das Verkehrsministerium in Hannover geht von einer Zunahme des Güterverkehrs bis zum Jahr 2025 um 80 Prozent aus. In Niedersachsen gab es daher Testfahrten so genannter Gigaliner, mehr als 25 Meter lange und bis zu 44 Tonnen schwere Gespanne aus Zugmaschine, Auflieger und Anhänger.

"Dafür braucht man gut ausgebildete Fachkräfte", sagt Julian Langes Chef Detlev Dose. Der STS-Geschäftsführer legt nicht nur auf Fachwissen Wert: "Wir suchen keine Sebastian Vettels, sondern verantwortungsbewusste und vernünftige Menschen. Unsere Lastwagen kosten zwischen 70 000 und 250 000 Euro und verbrauchen je nach Fahrstil mehr als 40 Liter Diesel auf 100 Kilometern." Daher möchte er seinen Fahrern vertrauen können. "Sie sind nicht zuletzt auch so etwas wie mein Außendienst."