Vorwurf der Statistiker: Lüneburg verlangt überdurchschnittlich viel Geld für die Betreuung von Kindern in Kindertagesstätten.

Lüneburg. Die Hansestadt Lüneburg berechnet ihre Gebühren für Kindergarten- und Krippenplätze unsozial. Das sagte der Politologe Dr. Konstantin Korosides gegenüber der Lüneburger Rundschau. Im Auftrag des Verbraucherportals "Geld.de" hat der Leiter der Statistik-Abteilung mit einem Team von zehn Kollegen die Kosten von Kinderbetreuung in 102 deutschen Städten verglichen.

"Lüneburg ist relativ hochpreisig", sagte Korosides gegenüber der Rundschau. Der Höchstsatz für einen Ganztagsplatz für Drei- bis Sechsjährige liegt in Lüneburg laut Studie bei 352 Euro. Laut den Berechnungen des Statistik-Teams dürften die Beiträge allerdings nur bei 183,30 Euro liegen - "wenn das durchschnittliche Einkommen in die Rechnung einbezogen wird", erklärt der Politologe. "Das wären die anzustrebenden Idealkosten."

Halbtagesplätze kosten in Lüneburg laut Studie 205 Euro, ideal wären knapp 109 Euro. Und ein Krippenplatz dürfte laut Geld.de nur 278 Euro kosten, tatsächlich liegt der Beitrag für einen Ganztagsplatz bei 400 Euro. Alle Angaben gelten für die Maximalsätze.

Warum die Gebühren seiner Ansicht nach zu hoch sind, erklärt Korosides so: Lüneburg liegt um elf Prozent unter dem gesamtdeutschen Durchschnittseinkommen. Das sind in der Bundesrepublik 2373 Euro pro Kopf, sagt Korosides, in der Hansestadt Lüneburg aber nur 2084 Euro. Die Zahlen geben den jeweiligen Bruttomonatsverdienst wieder.

"Lüneburg gehört zu den Städten mit dem niedrigsten Gehalt in Westdeutschland überhaupt", sagte Korosides der Rundschau, "Lüneburger verdienen im Durchschnitt 290 Euro brutto im Monat weniger als das deutsche Mittel." Zum Vergleich: Stuttgart nimmt maximal 117 Euro für einen Ganztagskindergartenplatz, die Menschen aber verdienen in dieser idustriestarken Region 24 Prozent über dem deutschen Durchschnitt.

Hinzu kommt: In Lüneburg ist der Höchstbeitrag für Kita-Gebühren schnell erreicht. Denn ein Haushalt mit angenommenen zwei Verdienern des Durchschnittsgehalts hat in Lüneburg nach Korosides' Berechnungen ein Bruttojahreseinkommen von statistisch rund 50 000 Euro. Die Grenze für den Maximalbeitrag bei Kita-Gebühren liegt in der Hansestadt allerdings bei rund 51 000 Euro.

Das kritisiert der Politologe: "Das Einkommen vor Ort sollte nicht unberücksichtigt bleiben bei der Gebührenstaffelung. Lüneburg sollte seine Beiträge senken." Zudem würde nicht berücksichtigt, welche Personen im Haushalt leben - ob es sich zum Beispiel um allein Erziehende handelt oder es zuästzlich zu den Kindern noch Angehörige gibt, die pflegebedürftig sind. "Allein das Einkommen zur Berechnung der Beiträge heranzuziehen, ist sozial ungerecht und unfair."

Die monatlichen Kosten, die die Kommunen pro Kindergartenplatz kalkulieren, nennt der Wissenschaftler "willkürlich". So berechne Chemnitz 392 Euro pro Kind, Berlin 685 Euro, München 583 Euro und Lüneburg "enorme 831,71 Euro".

Das Statistik-Team hat bei diesen Zahlen nicht Schluss gemacht, sondern auch die Verschuldung der Kommunen in ihre Berechnungen mit einbezogen. Korosides: "Lüneburgs Verschuldung beträgt 224 Millionen Euro. Das macht 3088 Euro pro Kopf, der deutsche Durchschnitt liegt bei 2826 Euro. Das bedeutet: Obwohl die Stadt hoch verschuldet ist, sind die Gebühren zu hoch." Lüneburg nehme 670 000 Euro zu viel an den Kitaplätzen ein und "versucht, die Schulden zu Lasten der Kinder abzutragen". Der Betrag ergebe sich aus der Differenz zwischen dem in der Studie empfohlenen Wert und dem tatsächlichen Wert.

Auch in Lüneburg selbst könnte das Thema Kita-Gebühren demnächst neu diskutiert werden. Michael Recha, Kandidat für die CDU für den Rat der Hansestadt, sagte der Rundschau: "1994 ist die Beitragsstaffel zu D-Mark-Zeiten eingeführt worden. Der Höchstsatz waren damals 100 000 Mark. Seitdem sind die Einkommensgrenzen nicht angehoben worden. Damit sind heute ganz andere Gruppen in der höchsten Staffel als noch vor 16 Jahren. Sie werden zu hoch belastet."

Den Christdemokraten stört ebenfalls, dass zahlreiche Eltern keinen Beitrag zahlen. Bei ungefähr 15 000 Euro liegt die Grenze. Recha sagte der Rundschau: "Auch Sozialhilfeempfänger sollten einen symbolischen Beitrag von fünf Euro bezahlen, denn es geht auch um einen Wertschätzung."