Das Land weist die Verantwortung für den Halt in Dahlenburg zurück. Die Grüne Miriam Staudte spricht von Schutzbehauptungen.

Dahlenburg. Mehr als zwölf Stunden standen elf Castoren beim Transport ins Zwischenlagen Gorleben in der Nacht vom 7. auf den 8. November 2010 im Bahnhof Dahlenburg. Der Zug machte seinerzeit in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses von Jens-Peter Finck und Almut Grosser im Ortsteil Boitze-Seedorf Halt. Sitzblockaden von mehreren tausend Demonstranten unter anderem in Harlingen im Kreis Lüchow-Dannenberg und eine Überlastung der Polizei sollen zu dem außerplanmäßigen Stopp geführt haben. Doch war dem wirklich so?

Mit einem Katalog von 13 Fragen an die Landesregierung verlangte die grüne Landtagsabgeordnete Miriam Staudte aus Scharnebeck Aufklärung über Gesundheitsgefährdungen, Informationsfluss und die Zuständigkeit der einzelnen Behörden für den Halt in Dahlenburg. Nun liegen die Antworten des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann (CDU) vor.

Die Fragen, weshalb die Anwohner nicht rechtzeitig über den Zwischenstopp informiert und der Castorzug nicht ein paar hundert Meter weiter entfernt vom Wohnhaus abgestellt wurde, wollte der Minister nicht kommentieren. Ebenso wenig wie diverse andere. Im Hinblick auf diese Fragen liege die atom- und strahlenschutzrechtliche Zuständigkeit beim Eisenbahn-Bundesamt, die polizeiliche Zuständigkeit bei der Bundespolizei. Zum damit betroffenen Verantwortungsbereich der Bundesregierung nehme die Landesregierung nicht Stellung.

Schünemann weist zudem darauf hin, dass die Landesregierung keine spezielle Haltemöglichkeiten für den Castortransport vorgesehen hatte. "Genehmigungsbehörde für den gesamten Transport ist das Bundesamt für Strahlenschutz. In der von diesem am 30. April vergangenen Jahres erteilten Beförderungsgenehmigung sind weder separate Auflagen noch alternative Standorte für unplanmäßige Haltemöglichkeiten aufgeführt", so der Minister.

Im Übrigen seien Änderungen der Fahrstrecke und Fahrzeiten zulässig, wenn diese mit dem Einverständnis oder auf Anordnung der atomrechtlichen Aufsichtsbehörden oder der Polizei eintreten. Das schließe aus behördlicher Sicht notwendige Haltemöglichkeiten wie beispielsweise am Bahnhof in Dahlenburg mit ein, so Schünemann.

Denn, so der Minister, bis 19 Uhr am 7. November sei die Anzahl der Personen im Bereich der Schienenstrecke auf etwa 3000 Personen angewachsen, sodass die Weiterfahrt des Castorzuges, der bereits Lüneburg in Richtung Dannenberg verlassen hatte, unmöglich gewesen wäre. Es sei absehbar gewesen, dass die Räumung des Gleises durch die Polizei mehrere Stunden in Anspruch nehmen würde.

Schünemann berichtet, dass nach der Dokumentation der Polizeidirektion Lüneburg der Castorzug um 19.48 Uhr den Bahnhof Dahlenburg erreicht habe. Nach kurzem Halt sei er um 19.56 Uhr in einen durch die Bundespolizei festgelegten und gesicherten Bereich außerhalb des Bahnhofs gefahren und dort um 20.09 Uhr abgestellt worden. Das Ende des Castorzuges reichte laut Dokumentation der Polizei bis an die Grenze des Bahnhofsbereiches zurück. Schünemann: "Der Abstand zum Wohnhaus Hinter der Bahn 1 betrug mindestens zehn Meter und damit deutlich mehr als der festgelegte Abstandswert von 5,50 Meter." Nach Räumung der Gleise bei Harlingen hätte der Castorzug am 8. November, um 8.20 Uhr, die Fahrt Richtung Dannenberg fortgesetzt, zitiert er aus den Aufzeichnungen der Polizei.

Staudte moniert das Antwortschreiben aus dem niedersächsischen Innenministerium. "Alle möglichen Behörden sind laut Antwort von Herrn Schünemann zuständig, nur das Land nicht", sagt die Abgeordnete. Sie kritisiert den Innenminister dafür. "Eisenbahn-Bundesamt, Bundespolizei oder Bundesamt für Strahlenschutz sollen die Verantwortung an dem umstrittenen Zwischenstopp tragen und dies wolle die Landesregierung nicht kommentieren."

Für sie seien das Schutzbehauptungen. "Die für den Transport gesamtverantwortliche Behörde ist die der Landesregierung unterstellte Polizeidirektion Lüneburg. Diese unnötige Strahlenbelastung der Dahlenburger Bürger ist vollkommen inakzeptabel gewesen. Die Landesregierung hätte eingreifen müssen", so Staudte.

Auch kritisiert die Abgeordnete die Entfernung, die nach ihrem Kenntnisstand nur 5,50 Meter zum Wohnhaus betragen habe, in der der Castorzug gehalten hatte. "Die Strahlung hört doch nicht abrupt nach 5,50 Metern auf", sagt sie. Nach dem Minimierungsgebot für radioaktive Strahlung hätte der Castorzug von der Wohnbebauung entfernt werden müssen.

Staudte kündigt an, die Anfrage an die Bundestagsfraktion weiterzuleiten, damit diese die Bundesregierung nach der Verantwortlichkeit für diesen Vorfall befragt. Sie betont, dass es darum gehe, solche nach ihren Worten Fehlentscheidungen bei kommenden Castor-Transporten zu verhindern. Denn dass es aufgrund der Proteste wieder zu Verzögerungen kommen werde, sei absehbar, so die Landtagsabgeordnete.