Die Spuren der Vergangenheit sind längst verwischt. Keiner würde heute auf die Idee kommen, dass hier früher ein Nabel der Schifffahrt war.

Bardowick. Die Spuren der Vergangenheit sind längst verwischt. Kaum jemand würde heute auf die Idee kommen, dass Bardowick früher ein Nabel der Schifffahrt war. Von vielen längst vergessen ist, dass vor Jahrzehnten in einer Werft im Ortsteil Hohensand Schiffe repariert und gebaut wurden, nebenan Gemüse verladen wurde, und an einem Anleger an der Klappbrücke beim Gasthaus Zum Anker in Bardowick Kohle und Getreide eingeschifft wurden.

Nur noch einige wenige maritim anmutende, mit Ankern verzierte Fahnenmasten in Vorgärten weisen heutzutage auf den einstigen wichtigen Wirtschaftszweig mit einer langen Tradition hin, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht. Aber auch nur, wenn die Fahnen der einstigen Schiffseigner geflaggt sind und im Wind wehen. Dabei liegt das Ende der Ära erst etwas über zehn Jahre zurück. Die letzte Ausflugsbarkasse fuhr auf der Ilmenau in Bardowick im Jahr 2000. Fahrten der ersten Ilmenau-Ewer gehen bis in das Jahr 1657 zurück. 1796 gab es in Bardowick und Lüneburg bereits 60 bis 70 Ewer. "Die Schifffahrt war nach dem Gemüseanbau der zweitstärkste Wirtschaftszweig und bescherte Bardowick gute Steuereinnahmen", sagt Hans-Jürgen Werner.

Er ist Vorsitzender des Vereins der Ilmenauschiffer von Bardowick von 1861, der am Sonnabend, 15. Januar 2011, das 150-jährige Bestehen feiert. "Bardowicker Schiffer gründeten den Verein 1861, um bei der Ladungsvergabe der Kaufleute aus dem Lüneburger Raum mithalten zu können. Denn die Bardowicker wurden benachteiligt. Sie hatten längere Liegezeiten als die Lüneburger", sagt Werner. Damals war der Zusammenschluss überlebenswichtig. Die Ilmenauschiffer organisierten ihre Logistik selbst. Es wurden wöchentlich Versammlungen abgehalten, bei denen die Frachtsätze der Bardowicker besprochen wurden. "Heute pflegen wir nur noch die Tradition, sind ein geselliger Verein, dem zurzeit 54 Mitglieder angehören", so der Vorsitzende.

Auch wenn die Blütezeit lange vorbei ist, in der die Bardowicker größere Schiffe hatten als die Nachbarn in Lüneburg, weil die Ilmenau im Domflecken tiefer als in der alten Salzstadt ist, so gibt es trotzdem noch immer zwei Binnenschiffe mit Heimathafen Bardowick: die "Pankgraf", 1660 Tonnen schwer, von Henning Stöber und die kleinere "Gerda" von Hartmuth Werner mit 768 Tonnen, die allerdings in Lüneburg zu Hause ist. "1970 waren es noch 18 Bardowicker Schiffe", so Werner, dessen Familie selbst Besitzer eines Binnenschiff war und mit dem er auf Deutschlands Flüssen unterwegs war. 20 Jahre später gab es dann nur noch sechs Binnenschiffe plus drei Fahrgastschiffe eines Reeders aus Lüneburg, dem auch die Barkassen gehörten, die bis vor zehn Jahren gefahren sind.

Zwei Gründe seien vor allem ausschlaggebend gewesen, dass sich in Bardowick der Beruf des Binnenschiffers einst etablierte, sagt Werner. "Erstens war es die direkte Lage an der Ilmenau und zweitens der Gemüsetransport in die Stadt Hamburg." Doch die Bardowicker Schiffe transportierten auch Lüneburger Salz nach Lübeck, Knochen aus Schlachtereien nach Berlin für die Seifenproduktion, holten Holz für die Saline in Lüneburg, Ziegelsteine und Weißkohl aus dem Raum Stade. "Das waren damals sehr einträgliche Geschäfte", sagt Werner.

Allerdings sei die Schifffahrt nicht das ganze Jahr über eine Einnahmequelle gewesen. "Um über die Runden zu kommen, mussten die Schiffseigner im Winter auf Teichen in Lüneburg Eis schlagen für die Brauereien in der Stadt." Im Übrigen konnte auch nur Schiffer werden, wer im Besitz eines eigenen Grundstücks im Ort war. "Häuser und Höfe waren die Sicherheit für die Spediteure, eine Versicherung für die Fracht."

Bis 1925 segelten die Schiffe auf der Ilmenau oder sie wurden getreidelt. Das heißt, sie wurden von Menschenhand, später von Pferden vom Ufer aus gezogen. Je nach Beladung von zwei bis vier Tieren. "Ab 1925 fuhren Motorschiffe. Das erste war die ,Emma' von Fritz und Alwin Werner." Mit der Motorisierung war das allmähliche Ende der Ilmenauschifffahrt eingeläutet. Denn die Schiffe wurden nach und nach immer länger, breiter und schwerer. Sie waren damit eines Tages zu groß für den kleinen Fluss. Werner: "Die letzte Gemüsefracht nach Hamburg zum Großmarkt war 1965. Die letzte Holzfracht nach Lüneburg ging 1976 über die Ilmenau."

Damit die Geschichte der Bardowi0cker Ilmenauschifffahrt auch nachfolgenden Generationen in Erinnerung bleibt, restaurieren einige ehemalige Schiffer zurzeit einen alten Frachter von 1899. Er soll schon in wenigen Monaten seinen Dienst als Museumsschiff auf der Ilmenau antreten.