Steffen Brettschneider, oberster Konfliktmanager der Polizei, zieht eine positive Bilanz der Castor-Tage

Lüneburg. Knapp drei Wochen nach dem Castor-Transport nach Gorleben mit den größten Protesten seit Jahren hat die Abteilung für Konfliktmanagement in der Polizei Rückschau gehalten auf ihren Einsatz und das Verhalten der Demonstranten. Im Gespräch mit der Lüneburger Rundschau zieht der Abteilungsleiter dieses Fazit: Die friedfertigen Aktionen haben deutlich überwogen. Dass politisch motivierte Gewalt die Proteste überschattet habe, verneint er.

Schon Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, hatte entsprechende Äußerungen von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) zurückgewiesen. Der oberste Konfliktmanager der niedersächsischen Polizei, Steffen Brettschneider, schloss sich der Rundschau gegenüber der Ansicht Ehmkes an. "Das sehe ich so nicht", sagte der 52-Jährige.

Sehr wohl gesehen hat der studierte Sozialpädagoge, der im sozialwissenschaftlichen Dienst der Polizeidirektion arbeitet, aber "bittere Nebenerkenntnisse". Etwa, wenn die Scheiben von Polizeiwagen ganzer Hundertschaften von Demonstranten entfernt wurden oder versucht wurde, ein Fahrzeug in Brand zu stecken. "Das ging wesentlich zu weit", sagte Brettschneider der Rundschau. "Und es ist heftig, wenn Initiativen sagen: Wir unterstützen jegliche Art von Protest."

"Dieser Einsatz war außergewöhnlich", sagte der Sozialpädagoge gegenüber der Rundschau. "Wegen der umfangreichen Vorankündigungen, der hohen Teilnehmerzahlen und dem Ablauf." Alle, Polizisten und Demonstranten, hätten sich im Vorfeld bemüht, Friedfertigkeit zu demonstrieren - "bis auf die Schotterer".

Die bereits obligatorischen Veranstaltungen wie Landmaschinen-Aktionen oder Laternenumzüge seien in vergangenen Jahren verbunden gewesen mit starken Provokationen in Richtung Polizei, sagte Brettschneider. "Es wurde ausgetestet, wie weit man gehen kann. Das war diesmal nicht so." Auch die Schülerdemonstration sei "im Grunde völlig friedlich" gewesen, mit einer echten Botschaft anstelle von Klamauk - "bis auf eine kleinere Gruppierung, die eine Straße unterhöhlt hat". Das wertet Brettschneider als "Marginalie".

"Schweißperlen auf der Stirn" hatte der Sozialpädagoge jedoch bei der Schienenblockade in Harlingen in der Nacht von Sonntag auf Montag. Ob nach den Auseinandersetzungen mit den Schotterern am Vormittag und den geleisteten mehr als 24-Stunden-Schichten noch ausreichend Raum für Differenzierungen bei den stark beanspruchten Beamten vorhanden sein würde, hatte der Konfliktmanager bezweifelt. "Die Kollegen waren am Rande ihrer Belastbarkeit und darüber hinaus. Da liegen die Nerven blank." Dennoch sagte Brettschneider in der Rückschau: Zwischen friedlichen und straftat- sowie gewaltbereiten Demonstranten zu unterscheiden sei der Polizei "weitestgehend gelungen".

Auch die Sitzblockade vor dem Zwischenlager wertete Brettschneider als friedlich. Probleme hätten Fotografen gemacht, die zu nah an Demonstranten und Polizisten gekommen seien.

Als die Bilder von prügelnden Polizisten entstanden, die am Sonntagvormittag Schlagstöcke, Reizgas und Wasserwerfer einsetzten, war Brettschneider mit seinem Team nicht vor Ort. "In diesem Bereich hätten wir mit dem Wort nichts ausrichten können", sagte der Konfliktmanager der Rundschau. Zu den Videos und Fotos sagte er, sie sagten wenig über die tatsächliche Situation aus.

Dass der Einsatz der Polizei an dieser Stelle "richtig und angemessen" war, wie Innenminister Schünemann formulierte, muss Brettschneider nach eigenen Worten auch "so sehen".

Bei der Aktion "Schottern" sei klar gewesen, dass es zu Auseinandersetzungen und Gewalt kommen werde, sagte der Konfliktmanager, denn: "Es handelte sich um Straftaten. Der Vorsatz war da. Dann treffen Demonstranten und Polizei aufeinander."

Dass niedersächsische Polizisten von Augenzeugen als friedlicher wahrgenommen werden als Kollegen aus anderen Bundesländern, hängt nach Brettschneiders Einschätzung vor allem mit der jahrelangen Erfahrung der Beamten zusammen. Trotzdem gab es zahlreiche Beschwerden von Bürgern, die Brettschneider zurzeit abarbeitet. Einige davon seien berechtigt, gibt der Teamleiter zu.

Auf die Frage, was nach diesem Castor-Transport übrig bleibt, die Bilder von friedlichen, kreativen Aktionen oder die von Schlagstöcken und Wasserwerfern, sagte Brettschneider der Rundschau: "Ich hoffe, dass ersteres die Hauptsache bleibt. Straftaten können nicht zugelassen werden. Aber auch da muss man verhältnismäßig sein. Rein rechtlich ist gegen die Einsätze nichts zu sagen, aber ich hoffe nicht, dass die Bilder hängen bleiben."

Bewährt habe sich während der Castor-Tage der Kontakt zu den Initiativen. Für den Dezember hat das Konfliktmanager-Team denn auch Nachbesprechungen mit einzelnen Gruppen angesetzt, anschließend sind Gespräche in Schulen geplant. Langfristiges Ziel der Konfliktmanager sei es, "so spektakuläre Proteste wie möglich" zu ermöglichen - "aber ohne Gewalt und ohne Straftaten".

Weniger bewährt habe sich während des Einsatzes die Kommunikationstechnik, sagte Brettschneider: "Wir haben einige Informationen nicht bekommen. Da müssen wir nachrüsten, damit wir die schneller erhalten."

Bedarf sieht Brettschneider aber auch in der internen und externen Kommunikation der Konfliktarbeit: "Es heißt, wir mit unserem Weichspülen seien es, die die Kollegen so hart arbeiten lassen, etwa wenn es um das Wegtragen geht. Aber eine harte Linie hätte die Einsatzzeiten nicht verkürzt, sondern eher noch verlängert."

Denn Kraft von Seiten der Polizei hätte Gegenkraft erzeugt. Soll heißen: Wenn Beamte mit heruntergeklapptem Visier und Wasserwerfern auf die Schienenblockierer zugegangen wären, hätten die sich nur aneinander festgehalten. In Harlingen aber seien nach der Ansprache durch die Konfliktmanager viele Demonstranten freiwillig von den Gleisen gegangen.

"Natürlich sind wir für Kritik offen", sagte Brettschneider. "Aber es gibt im Prinzip keine Alternative zu unserer Methode. Und das ist kein Weichspülen, sondern differenziertes Vorgehen."