Binnenschiffer sind entsetzt über die politische Entscheidung gegen den Ausbau des Hebewerks in Scharnebeck. Das sei ein wirtschaftiches Desaster.

Scharnebeck. Binnenschiffer Manfred Maiwald macht seinem Ärger Luft. Die Entscheidung des Bundesverkehrsministeriums, das Schiffshebewerk in Scharnebeck absehbar nicht auszubauen, ruft bei Maiwald blankes Entsetzen hervor. "Das zeugt von wenig Sachverstand", sagt er.

Im Gespräch war, dass bis 2019 eine neue Schleuse gebaut werden sollte, damit auch größere Binnenschiffe den Elbe-Seitenkanal passieren können. Rund 240 Millionen Euro standen als Kosten im Raum für das Projekt. Doch Minister Peter Ramsauer (CSU) hatte Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) kürzlich in einem Brief darüber informiert, dass es an Geld und Planungskapazitäten für den Ausbau fehle. Danach seien die bereits laufenden Renovierungsarbeiten an den beiden Trögen des Schiffsfahrstuhls ausreichend, den prognostizierten Verkehr in den nächsten Jahrzehnten aufzunehmen, so der Minister.

+++Ausbau des Schiffshebewerks ist von 2015 an möglich+++

"Die Berater Ramsauers haben keine Ahnung", kritisiert Schiffer Maiwald. Er malt eine düstere Zukunft für die Binnenschifffahrt im Norden. "Für Norddeutschland ist das eine katastrophale Entscheidung. Der Norden wird mit dem Aus für Scharnebeck unattraktiv für die Binnenschifffahrt", so der Kapitän aus Ritteln, der mit seinem Schiff "Nautic" ständig auf dem Elbe-Seitenkanal Fracht transportiert. Der Verkehr auf der Wasserstraße sei schon jetzt schleppend, zurzeit besonders erschwert durch die Sanierung der Tröge des Hebewerks. "Kosten lassen sich schon lange kaum noch einfahren bei Wartezeiten von bis zu 18 Stunden vor dem Hebewerk", sagt er.

Die Wartezeiten vor dem Hebelwerk machen den Schiffern zu schaffen

Er rechnet damit, dass viele seiner Kollegen abwandern werden in Richtung Rhein, weil sie dort besser Geld verdienen könnten. "Die Binnenschifffahrt zwischen Hamburg und dem restlichen Bundesgebiet wird zusammenbrechen. Schon jetzt ist das Fahren auf der Elbe selten möglich, weil der Wasserstand ständig zu niedrig ist. Und auch am Elbe-Lübeck-Kanal wird nicht saniert." Zudem, so moniert der Bundesverband der Selbstständigen, Abteilung Binnenschifffahrt, könne die neue Schleuse in Uelzen das hohe Verkehrsaufkommen des Elbe-Seitenkanals alleine nicht bewältigen. Da die alte Schleuse eine Sanierung nicht mehr wert sei, müsse eine neue gebaut werden, fordert der Berufsverband. Überdies gebe es auf dem gesamten Kanal zu wenig Liegeplätze für Schiffe.

+++Sorge um die Binnenschifffahrt auf der Elbe+++

Für den Hinterlandverkehr des großen Hamburger Hafens sei die Entscheidung gegen den Ausbau in Scharnebeck nicht nur eine wirtschaftlich , sondern auch umweltpolitisch falsche. Angeblich, so prognostizieren die Interessenvertreter, sollen sich die Verkehrsströme verdoppeln. Somit drohe der Verkehrsinfarkt, wenn immer mehr Waren vom Wasser auf die Straßen kommen - weg vom umweltfreundlicheren Transport mit Binnenschiffen.

Lüneburgs Wirtschaftsförderer Jürgen Enkelmann sieht das Thema trotz der aktuellen Entscheidung noch lange nicht vom Tisch. "Die Diskussion fängt gerade erst an", sagt er. Der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft von Stadt und Landkreis Lüneburg beruft sich bei seiner Einschätzung auf die Debatte im Bundestag im vergangenen November über das sogenannte "Weißbuch Verkehr" der Europäischen Kommission. Die Ziele unter anderem: Halbierung der mit konventionellem Kraftstoff betriebenen Kraftfahrzeuge bis 2030 und deren völlige Abschaffung in Städten bis 2050 sowie die Verlagerung von 30 Prozent des Straßengüterverkehrs mit einer Transportdistanz von mehr als 300 Kilometer von der Straße auf Eisenbahn und Schiff bis 2030, mehr als 50 Prozent bis 2050.

"Das gilt es national umzusetzen", sagt Enkelmann. "Insofern passt die Entscheidung zum Schiffshebewerk eigentlich nicht in die Zeit." Zudem sei man sich in der Politik im Prinzip einig über den Ausbau der Wasserstraßen, und es stehe die Entscheidung darüber aus, wie der Hinterlandverkehr des Hafens Hamburg abgewickelt werden soll. "Konsequent wäre daher der Ausbau des Elbe-Seitenkanals." Dann aber müsse auch das Nadelöhr Scharnebeck beseitigt werden. Dass aktuell der Bedarf für eine neue Schleuse nicht da sei, will Enkelmann nicht als Erklärung gelten lassen. "Man darf nicht nur den aktuellen Bedarf im Auge behalten, sondern muss das mittelfristig sehen.

Zwar schwäche die Entscheidung den Elbe-Seitenkanal als Wasserstraße, auf die Ausbaupläne des Lüneburger Hafens habe sie jedoch keinen Einfluss, argumentiert der Wirtschaftsförderer. "Die Pläne sind nicht gefährdet. Der Hafen als Schnittstelle zwischen Schiene, Straße und Wasser hat seine Berechtigung und muss sich weiterentwickeln." Die Schleuse müsste im Zweifelsfall umfahren werden, die Strecke zwischen Hamburg und Lüneburg mit Lastern auf der Straße zurückgelegt werden, in Lüneburg solle dann auf Schiffe umgeschlagen werden. "Wir müssen in Verkehrsketten denken."

Landrat Nahrstedt will sich weiter für den Bau eines neuen Werks einsetzen

Landrat Manfred Nahrstedt (SPD) sagt, er sei überrascht über die Entscheidung Ramsauers, da gerade die Binnenwasserstraßen bundesweit gestärkt werden sollten und in dieser Region speziell das Schiffshebewerk Scharnebeck. "Die vorgesehene Steigerung von zwei auf fünf Prozent des Güterverkehrsanteils aus dem Hamburger Hafen auf Binnenwasserstraßen ist so nicht zu erreichen. Minister Ramsauer verkennt völlig die Warenströme aus dem Hamburger Hafen Richtung Süden, sonst würde er sich nämlich vehement fürs Schiffshebewerk Scharnebeck einsetzen." Nahrstedt kündigt an, sich weiterhin für den Bau eines neuen Aufstiegswerks zu kämpfen.