Ein Blick vom Altar der St. Michaeliskirche auf die Orgel offenbart nur allzu deutlich: Hier stimmt etwas nicht. In eindeutiger Schieflage ragen die Säulen des Kirchenschiffs in das gotische Gewölbe.

"Für Besucher ist das sehr eindrucksvoll", sagt Pastor Olaf Ideker-Harr. Zwar seien die Säulen nach Auskunft des Pastors schon schief erbaut worden. Trotzdem rumorte es über die Jahre immer mal wieder in dem mehr als 600 Jahre altem Gemäuer. Denn die Kirche steht mitten in der Lüneburger Altstadt und damit im Senkungsgebiet. Anlass für den Eigentümer der Kirche, der Klosterkammer Hannover, regelmäßig Vermessungen anzuordnen. "Das ist eine reine Routineangelegenheit", sagt Rainhard Benhöfer, Architekt der Klosterkammer. "Wir wollen einfach ausschließen, dass es Probleme mit der Standsicherheit der Kirche gibt."

Noch bis einschließlich morgen sammeln die Vermessungsexperten Jörg Albert und Willfried Schwarz akribisch Daten, berechnen jede kleinste Veränderung der in der Kirche. Willfried Schwarz erklärt: "Von sieben Standpunkten peilen wir in der Kirche verankerte Zielpunkte an. Via Bluetooth werden die Daten direkt in einen Computer übertragen." Pro Standpunkt - jeweils werden die Messgeräte auf Stativen fixiert - messen die Techniker etwa 20 bis 30 Mal. Etwa eine Stunde dauert diese Prozedur. Dabei arbeiten die Männer äußerst genau, wie Jörg Albert erläutert: "Wir messen in Milligon. Damit können wir Veränderungen von etwa einem Millimeter auf einer Strecke von 66 Meter erfassen." Für das 52 Meter lange und 26 Meter breite Kirchenschiff sind die Vermessungstechniker damit bestens gerüstet.

Die gesammelten Daten werden im Anschluss mit den Werten der letzten Messung verglichen. "Die Auswertung kann bis zu zwei Wochen dauern", erklärt Schwarz. Geplant sei, verrät Rainhard Benhöfer, die Ergebnisse mit den Messungen der Stadt zu koppeln: "Wir wollen eine Art Netzwerk erstellen, damit wir uns gegenseitig warnen können, wenn Veränderungen auftreten."

Doch die Messungen der letzten 30 Jahre hätten nie Grund gegeben, Alarm zu schlagen. Und Pastor Olaf Ideker-Harr findet seine schiefe Kirche sogar besonders reizvoll: "Wie heißt es doch so schön: En beten scheef hett Gott leef."