Dass man für eine Bahnfahrt ein gültiges Ticket braucht, schien Marcel Z.* nicht ganz klar zu sein. Er soll innerhalb von drei Monaten gleich mehr als ein Dutzend Mal beim Schwarzfahren erwischt worden sein.

Nun muss sich der 31-Jährige vor dem Amtsgericht Lüneburg wegen des Erschleichens von Leistungen in 15 Fällen verantworten.

Fast zehn Minuten lang dauert es, bis die Staatsanwältin die Anklageschrift, in der alle Vergehen detailliert aufgelistet stehen, vorgetragen hat. Immer wieder soll der gelernte OP-Assistent ohne gültigen Fahrschein im Metronom zwischen Hamburg und Lüneburg erwischt worden sein. Manchmal sogar mehrmals innerhalb von einer Woche.

"Was habe Sie sich dabei gedacht?", fragt die Richterin nach einem Motiv. "Ich habe damals einen neuen Job angefangen, musste Unterhalt für meinen Sohn zahlen und hatte noch andere Ausgaben, da konnte ich mir das einfach nicht leisten", versucht der Angeklagte eine Erklärung. "Sie müssen mir glauben, mir liegt eine Einigung sehr am Herzen", beteuert Marcel Z.* treuherzig und faltet seine Hände. Die Richterin klärt den Lüneburger auf: "Ihre Einsicht ist lobenswert, aber hier an der falschen Stelle. Sie müssen sich hier in einem Strafprozess verantworten." Der Angeklagte nickt, aber es ist ihm anzusehen, dass er nicht sicher ist, was das heißt.

"Am Anfang hatte ich ja noch eine Flexicard. Als ich die mal vergessen hatte, hab ich gesagt, ich reiche sie nach. Hab ich natürlich nie gemacht." Seinem neuen Arbeitgeber seine finanzielle Lage zu schildern und um einen Vorschuss zu bitten, habe sich der sportliche Zweimetermann nicht getraut. Vielmehr fühlte er sich verpflichtet, dem Arbeitgeber zu beweisen, dass er nicht nur verlässlich und pünktlich ist, sondern dass er seiner Aufgabe als Betreuer mehrfach behinderter Kinder auch mental gewachsen ist.

Ungünstig für Marcel Z. ist, dass er schon einmal wegen Erschleichung von Leistungen vor Gericht stand und sich außerdem derzeit in der Bewährung wegen einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung befindet. Die Staatsanwältin nennt den Angeklagten in ihrem Plädoyer einen "typischen Wiederholungstäter, der wahrscheinlich noch häufiger ohne Fahrschein unterwegs war" und fordert sechs Monate Freiheitsstrafe für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

Verständnis wecken konnte Marcel Z. bei der Richterin nicht. "Das ist sehr rührend, dass sie sich so um die Kinder kümmern, aber das kann nicht als Entschuldigung gelten, um sich Leistungen zu erschleichen. Genau das haben sie getan und zwar nicht nur einmal, sondern 15-mal. Das passiert nicht einfach so." Der Mann wurde zu einer Geldstrafe von 2700 Euro verurteilt. In etwa die Summe, die eine HVV-Karte kostet, mit der man anderthalb Jahre zwischen Lüneburg und Hamburg pendeln kann.

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