Im kommenden Jahr wird die Stadt Lüneburg voraussichtlich 18 Millionen Euro Steuern weniger einnehmen. Mägde fordert daher, dass Bund und Land einen Rettungsschirm für die Kommunen spannen.

Lüneburger Rundschau:

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund erwartet für 2010 durch die Finanzkrise und das Wachstumsbeschleunigungsgesetz der Bundesregierung Mindereinnahmen von mindestens zwölf Milliarden Euro. Wie hoch werden die Einbußen in Lüneburg sein?

Ulrich Mädge:

Dieses Schuldenbeschleunigungsgesetz kostet die niedersächsischen Kommunen jährlich 35 Millionen Euro. Für Lüneburg erwarte ich dadurch mindestens 500 000 Euro Mindereinnahmen. Außerdem werden wir nächstes Jahr rund 18 Millionen Euro weniger an Steuern einnehmen.

Rundschau:

Die finanzielle Lage der Stadt war auch vorher schon schwierig. Kann man Ausfälle in dieser Höhe überhaupt noch auffangen?

Mädge:

Natürlich nicht. Wir können die 500 000 Euro nicht auffangen. Wir sind ausgequetscht, haben 15 Jahre der Konsolidierung hinter uns. 2008 hatten wir einen leichten Überschuss im Haushalt, jetzt rutschen wir wieder in ein Loch.

Rundschau:

Von den kommunalen Spitzenverbänden wird vorgeschlagen, auf die Situation in den Kommunen mit einer Überbrückungshilfe zu reagieren. Angedacht ist, den Städten und Gemeinden für zwei Jahre Kassenkredite mit besonders niedrigen Zinssätzen zur Verfügung zu stellen.

Mädge:

Das ist kein Ausweg. In zwei Jahren sind wir bei den Kassenkrediten nicht übern Berg. Wir brauchen einen Rettungsschirm ähnlich wie bei den Banken. Bund und Land müssen unsere Kredite übernehmen.

Denn Schulden sind nicht schlechthin Teufelszeug. Schlecht sind die Kassenkredite, die wir für Personal- und Sachkosten brauchen. Mit Krediten für sinnvolle, nachhaltige Investitionen aber schaffen wir Eigenkapital.

Rundschau:

Können Sie weitere Einsparungen, zum Beispiel im Bereich der Personalkosten vornehmen?

Mädge:

95 Prozent der laufenden Kosten im städtischen Haushalt sind fix. Beim Personal können wir nicht mehr einsparen, als wir es schon tun. Wir haben im Stellenplan 2010 nur ein Plus von 3,5 Stellen - und das, obwohl wir allein für Krippengruppen sechs neue Stellen einrichten mussten.

Rundschau:

Wird es 2010 Abstriche bei der Umsetzung des Konjunkturpakets geben?

Mädge:

Das ist geschnürt, Aufträge sind vergeben. Wir haben dort drei Millionen Euro drin, unter anderem für Schulen und Museen. Was soll ich da streichen?

Rundschau:

Steigende Ausgaben, sinkende Einnahmen - wo bleibt da noch politischer Gestaltungsraum für 2010?

Mädge:

Der Rat kann die Stadt nicht abreißen, und er kann auch nichts für die Finanzkrise. Wir müssen unsere Stadt weiterentwickeln, sonst sind wir nicht mehr wettbewerbsfähig. Vom Dreiklang "notwendig, nützlich und angenehm" bleibt "notwendig" übrig.

Rundschau:

Und was ist in den nächsten zwölf Monaten Ihrer Ansicht nach für Lüneburg notwendig?

Mädge:

Die PCB-Sanierungen an Schulen mit fünf Millionen Euro, die Sanierungen von Jugendbücherei und Kita in Kaltenmoor, Herderschule, Schule am Kreideberg, Friedrich-Ebert-Brücke und Rathaus sowie die Sanierungsgebiete Kaltenmoor und Wasserviertel, die Pakete Bahnhof und neues Museum. Mit der Wittenberger Bahn werden wir allerdings nicht 2010 anfangen können.

Rundschau:

Welche Vorhaben fallen weg?

Mädge:

Die Sanierung von Straßen, Radwegen und Verwaltungsgebäuden sowie Schulen, die nicht im PCB-Programm sind. Dort fallen Maßnahmen geringer aus als geplant.

Drin im Paket ist allerdings die Grundschule Im Roten Felde. Nach der neusten Steuerschätzung und weiteren Einsparvorschlägen haben wir das erwartete Defizit von zunächst 26 Millionen Euro auf jetzt 19,8 Millionen Euro gesenkt. Wir stellen es dem Lüneburger Rat in der Sitzung am 17. Dezember vor.

Rundschau:

Ist die Umsetzung des Ausbauprogramms für die Kindertagesstätten vor diesem Hintergrund bis zum Jahr 2013 noch realistisch?

Mädge:

Das ist stark gefährdet. Der Ausbau der Krippen wird mindestens zwei bis drei Jahre länger dauern als geplant, da wir zurzeit nur eine zusätzliche Gruppe pro Jahr einrichten können anstatt der benötigten drei bis vier.

Rundschau:

Die Finanzmisere hat im Herbst schon einmal zu einer Krise in der Gruppe aus SPD und CDU geführt. Im Stadtrat drohte die Spaltung der Koalition. Werden wir eine Wiederholung der Krise in 2010 erleben, wenn die beschlossenen Projekte umgesetzt werden müssen?

Mädge:

Ich habe keinen Zweifel daran, dass Frau Baumgarten verlässlich ist. Die Fraktionen haben sich auf die Projekte verständigt.

Rundschau:

Wie ist die Finanzlage der städtischen Unternehmen?

Mädge:

Die stehen gut da, sind insgesamt mehr wert als unsere Investitionskredite von 95 Millionen Euro. Für das Klinikum haben wir vor Jahren einen Kredit aufgenommen, 18 Millionen Euro sind noch offen, diesen wird das Klinikum jetzt, da es schwarze Zahlen schreibt, bedienen müssen. Auch werden wir auf die Gewinne der städtischen Unternehmen zugreifen.

Da werden wir mit ihnen reden müssen und eine vernünftige Form finden. Das gilt auch für die Sparkasse, auch wenn sie in diesem Jahr durch die negative Entscheidung zur Fusion einen siebenstelligen Betrag verloren hat und keine großen Gewinne macht.

Rundschau:

Da das Audimax in Zukunft die Stadthalle ersetzen soll - wie steht es um die Nordlandhalle?

Mädge:

Die Frist der Ausschreibung läuft bis Februar. Eine Handvoll Interessenten gibt es bereits. Ich hoffe, die Halle gehört im April nicht mehr der Stadt.