Kreativität kann man lernen - am besten mit Methode. Dann gibt es auch auf alle Fragen eine Antwort.

Lüneburg. Egal ob im Job, im Studium oder im Alltag: Für die meisten Probleme gibt eine Lösung. Nur meistens nicht dort, wo man sucht. Die zündende Idee kommt häufig wann sie will, unter der Dusche, in der Straßenbahn oder beim Essen. Doch unter Zeitdruck ist die Kreativität oft blockiert.

Abhilfe schaffen können spezielle Techniken, die bewusst von der üblichen Denkroutine abweichen und auf unkonventionelle Lösungsstrategien setzen. Ein solcher Ansatz ist Design Thinking. Claus Steinau unterrichtet die Methode, die seit 2005 auf dem Lehrplan der Stanford University in Kalifornien steht und im laufenden Semester jetzt auch an der Leuphana Universität. Mit seinem Angebot stieß er bei Dozenten wie bei Studenten auf großes Interesse.

Für ein Blockseminar ließ er sich thematisch von seinem letzten Zahnarztbesuch inspirieren. "Der Arzt sagte zu mir, ich solle täglich Zahnseide benutzen. Aber das ist an manchen Stellen schwierig und macht auch nicht wirklich viel Spaß." Kurzerhand machte er die Frage, wie man mehr Menschen für Zahnseide und ähnliche Pflegeprodukten begeistern könnte zum Thema eines Seminars.

Itab El Riz hatte zuvor noch nichts von Design Thinking gehört. "Bisher lief meine Recherche anders ab. Mit dem Wissen aus Büchern und Internetbeiträgen habe ich einen Fragebogen erstellt, den ich von den Befragten ausfüllen ließ", sagt die Kulturwissenschaftsstudentin.

Kreative Problemlösung hat mit Chaos nichts zu tun, erklärt Claus Steinau, der früher am liebsten Erfinder geworden wäre. Im Gegenteil, es gilt einen sechsstufigen Plan abzuarbeiten. Ausgangspunkt ist eine fundierte Recherche über den Forschungsgegenstand, fasst der 30-Jährige zusammen. "Wir haben also eine Expertise erstellt, wie viele Menschen in Deutschland Zahnseide benutzen, wie hoch der Verbrauch ist und was Experten, in diesem Fall professionelle Zahnreiniger, sagen."

Die Analyse ergab, dass viele Menschen mit wenig Aufwand saubere, gesunde Zähne haben wollen. Die Seminarteilnehmer sammelten Ideen, die schnelle und effektive Zahnreinigung versprachen. Das Brainstorming, findet Claus Steinau, der in seinen Seminaren Ideensammler, Moderator und Anstoßgeber ist, besonders spannend. "Beim Brainstorming kommt es darauf an, möglichst viele unterschiedliche Einfälle zu Papier zu bringen. Je mehr, desto besser."

Die Erfahrung des gebürtigen Hamburgers zeigt, dass oft die Ideen das meiste Potenzial haben, die auf den ersten Blick am verrücktesten scheinen. So wie die, statt Zahnseide ein Zahnholz zu verwenden. Die Recherche der Studierenden ergab, dass die Zweige und Wurzeln des Arakbaumes in arabischen Ländern seit jeher zur Zahnpflege verwendet werden. Dazu wird der entrindete Zweig gekaut, bis er faserig wird. Dann wird das Faserbüschel wie eine Zahnbürste verwendet. Auch für Europäer könnte das Holz interessant sein, ist Claus Steinau überzeugt. "Wenn man unterwegs auf Reisen ist und kein Wasser dabei hat, zum Beispiel." Ein Praxistest in der Fußgängerzone ergab, dass die Lüneburger neugierig waren.

Den wesentlichen Unterschied zu herkömmlichen Problemlösungsansätzen sieht der Kulturwissenschaftler darin, dass der Fragestellung mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird, als dem Ergebnis. "Bei Design Thinking geht es mehr um den Weg, als um das Ziel."

Das Seminar hat Itab El Riz überzeugt. "Es ist eine neue sehr detaillierte Art der Recherche, die Spaß macht. Man geht mehr auf die Personen, beziehungsweise Nutzer ein. Und durch den Test erlebt man die Eindrücke der Menschen "live" mit und kann sie besser beurteilen." Die junge Frau ist überzeugt, dass sie die neue Methode in ihrem Studium nutzen kann.

Claus Steinau will künftig nicht nur mit Studierenden Fragestellungen lösen, sondern mit Hilfe von Design Thinking auch Unternehmen, Institutionen und Organisationen beraten. Ideen hat er bereits jede Menge. Zum Beispiel will er herausfinden, wie man junge Wähler für Politik begeistern kann.