Wohnungslosen Menschen sollen neue Perspektiven eröffnet werden - mittels Kunst.

Lüneburg. Auf dem Tisch im Raum der "Herberge plus" mischen sich Tuschkästen, Pinsel, dünne Bastelpappen in Rot, Geld oder Gold. Sechs Frauen und Männer sitzen um den Materialmix herum, sie malen oder basteln. "Ich möchte etwas für das Baby machen", sagt plötzlich die schwangere Melanie Tschendel.

Hier in der Kreativgruppe der "Herberge plus" hat sie dazu Gelegenheit. Jeden Donnerstag von 10 bis 12 Uhr wird gewerkelt, gemalt und gebastelt. Einzige Vorgabe: In dieser Zeit gibt es weder Alkohol noch Drogen. "Das ist wichtig, denn wir wollen aus den Teilnehmern Potenziale herauskitzeln, ihnen neue Perspektiven eröffnen", sagt Christel Falley, die gemeinsam mit Bernd Plake die Gruppe betreut. Bei Melanie Tschendel scheint das geglückt. Die 27-Jährige ist clean. Doch das war nicht immer so.

Seit dem zwölften Lebensjahr kämpft sie gegen ihre Drogensucht, lebte lange Zeit auf der Straße. Seit sechs Monaten hat sie "nichts mehr genommen", ist gerade mit ihrem Freund in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Für ihr Kind will sie es schaffen. "Der Gedanke an das Baby hilft mir", sagt Tschendel. Und auch die Kreativgruppe: "Früher bin ich oft wieder in die Szene gegangen, wenn ich nichts zu tun hatte. Jetzt komme ich hierher." Genau darum geht es Christel Falley und Bernd Plake. "Wir wollen ein niedrigschwelliges Angebot schaffen für Menschen, die durch Armut oder Abhängigkeit ausgrenzt werden", erklärt Plake. Die Betroffenen sollen neue Kraft schöpfen und Mut finden, "sehen, dass sie etwas Schönes schaffen können" sagt Falley. Sie ist überzeugt: "Die Menschen sind nicht nur Lebenskünstler, die verstehen auch etwas von Kunst."

Jürgen Profeld ist da ein gutes Beispiel. Für den 61-Jährigen ist die Gruppe zur festen Institution geworden. Lange Zeit war er wohnungslos, reiste quer durch die Republik. Jetzt ist er in Lüneburg sesshaft geworden - und "eine große Stütze für die Gruppe", wie Bernd Plake versichert.

Bei seinen regelmäßigen Besuchen hat Profeld unzählige Bilder gemalt. Das brachte den Gruppenleiter auf eine Idee: "Wir arbeiten an einem Kalender." Als Weihnachtsgeschenk für Kooperationspartner der Herberge ist der Kalender für 2010 gedacht. Ein ähnliches Projekt mit dem Namen "Wandervogel" hat die Ambulante Hilfe des Herbergsvereins in Soltau-Fallingbostel auf den Weg gebracht: Der Wandkalender für das Jahr 2010 kostet 12,80 Euro und ist auch in Lüneburg zu haben.

Die Erlöse aus dem Verkauf fließen zu 100 Prozent an das Kunstprojekt "Wandervogel" und die Kreativgruppe in Lüneburg. Erhältlich ist der Kalender in den Lüneburger Buchhandlungen oder direkt in der Geschäftsstelle des Herbergsvereins, Am Benedikt 8a. Geöffnet ist montags bis freitags 9 bis 16 Uhr. Ein Bestellformular gibt es auch im Internet.

www.herbergsverein.de