Immer mehr grausige Details zum Lebendrupf-Skandal in dem Wistedter Gänsemastbetrieb Schwerk werden bekannt. Ein ehemaliger Mitarbeiter des Betriebes berichtet der Harburger Rundschau, was er dort erlebt hat.

Wistedt/Königsmoor. Jan (Name der Redaktion bekannt) erzählt: "Den Gänsen auf der Farm wurden die Federn an den Rupfmaschinen bei lebendigem Leib vom Körper gerissen. Bei dieser Prozedur wurden den Gänsen auch ganze Hautfetzen vom Leib gerissen. Danach setzten die Rupfer die Tiere wieder auf die Weiden. Schwer verletzte Gänse wurden Tage später einfach totgeknüppelt. Und diese Prozedur ist jedes Jahr wiederholt worden."

Seit Tierschützer von "Vier Pfoten" die tierquälerischen Praktiken in dem Betrieb der Familie Schwerk im Juli aufgedeckt hatten, ermittelt die Stader Staatsanwaltschaft wegen Tierquälerei. Staatsanwalt Kai Thomas Breas: "Vor etwa zwei Wochen haben wir dort eine Durchsuchung durchgeführt und dabei umfangreiches Beweismaterial sichergestellt, das wir jetzt auswerten." Zum aktuellen Stand der Untersuchungen will Breas nichts sagen - aus ermittlungstaktischen Gründen.

Jan erzählt von den brutalen Praktiken, die in dem zweitgrößten Gänsemastbetrieb Deutschlands jahrelang an der Tagesordnung waren. Mehrere Jahre arbeitete er bei den Schwerks und hatte Einblick in die meisten Betriebsbereiche. Er selbst habe sich immer geweigert, bei dem Lebendrupf mitzumachen, habe ihn aber mehrfach beobachtet, so Jan. "Wenn Ende Juni die Legeperiode der Zuchtgänse zu Ende war, wurden die vier Rupfmaschinen auf die Wagen geladen und zu den Weiden gefahren. Vier bis fünf Kollegen wurden zum Rupfen abgestellt. Der Auftrag kam immer vom Vorarbeiter", und der habe seine Anweisungen aus dem Büro von Seniorchef Manfred Schwerk und seinen beiden Söhnen Manfred und Rudolf bekommen. Jan: "50 bis 100 Gänse wurden in ein Gatter getrieben. Zwei Männer standen dann im Gehege und haben die Gänse einzeln hinaus gereicht. Die Rupfer haben die Tiere dann von hinten an den Flügeln gegriffen und mit der Brust an die rotierenden Scheiben der Rupfmaschinen gedrückt. Manchen Gänsen wurden dabei die Knochen gebrochen. Die Tiere haben laut geschrien. Dieses Schreien war furchtbar. Das habe ich heute noch in den Ohren. Anschließend warfen die Rupfer die völlig benommenen Tiere zurück auf die Weide. Wenn wir später fütterten, sahen wir die teilweise schwer verletzten Tiere auf dem Boden sitzen. Das Rupfen auf den Weiden war von den Feldwegen aus gut zu sehen." Der Lebendrupf sei nicht nur im Betrieb, sondern im ganzen Ort bekannt gewesen.

Das Rupfen aller Tiere habe etwa drei Wochen gedauert. Die Maschinen seien auch in den Betriebshallen eingesetzt worden. Jan: "Die in Säcken eingesammelten Daunen wurden dann in den Bruträumen zwei Wochen lang getrocknet, bevor sie ausgeliefert werden konnten." Wusste er, dass diese Praxis gegen das Tierschutzgesetz verstößt? Jan: "Logisch. Aber wir alle hatten Angst davor, unsere Arbeit zu verlieren. Deswegen hat niemand von uns etwas gesagt." Wer konnte, habe sich vor dem Rupfen gedrückt. Bis zu 1,8 Tonnen Federn seien so jedes Jahr bei rund 15 000 gerupften Tieren zusammengekommen. Mit dem Lkw seien die getrockneten Daunen nach Süddeutschland transportiert worden, er selbst sei einmal mitgefahren. Etwa 20 bis 30 Euro bringe ein Kilo Gänsedaunen ein - bis zu 50 000 Euro pro Lkw-Ladung.

Im Sommer rechtfertigte Manfred Schwerk gegenüber dem von den Tierschützern eingeschalteten Kreisveterinäramt den Lebendrupf mit einer "einmaligen medizinischen Maßnahme", die männlichen Tiere hätten an einem Befall gelitten. Der Landkreis Harburg schaltete die Staatsanwaltschaft Stade ein. Das Veterinäramt des Kreises war in diesem Zusammenhang wegen angeblich zu lascher Kontrollen in dem Betrieb in die Kritik geraten. Auch Betriebskontrollen durch das Kreisveterinäramt hat Jan nach eigenen Angaben zweimal miterlebt. Plötzlich habe es geheißen, in wenigen Tagen finde eine Kontrolle statt. "Mit einem Mal war großes Putzen angesagt", erzählt Jan. "Das war wie bei der Bundeswehr zum Spindappell. Bei der Kontrolle sind die Tierärzte dann über den Hof gegangen und haben kurz mal in die Hallen geschaut, dann verschwanden alle zusammen im Büro." Jan und seine Kollegen hätten die Anweisung erhalten, "im Hintergrund zu bleiben und die Klappe zu halten, während die Tierärzte auf der Farm waren", sagt er. Was auf diesem Hof mit den Tieren geschehen sei, sei unmenschlich gewesen.