Lüneburgs Uni will mit einem Projekt ein Portal entwickeln, in dem von Laien produzierte Filme laufen.

Lüneburg. Voraussichtlich Anfang nächsten Jahres startet ein neues Forschungsprojekt an der Leuphana Universität Lüneburg: Die Hochschule will ein Internetportal entwickeln, auf dem von Laien produzierte Filme laufen. Keine Nachrichten, sondern Geschichten. Nicht auf Deutsch, sondern zu 95 Prozent auf Englisch. Zu sehen sein soll das neue Fernsehen auf mobilen Empfangsgeräten und am Computer - wenn denn die Leitung dafür reicht.

"Kenup" heißt das Projekt, das Teil des sogenannten Innovationsinkubators der Uni ist und sowohl von der Europäischen Union als auch vom Land Niedersachsen bezahlt wird. Unter der Leitung von Professor Ulf Wuggenig, Soziologe und Fachkoordinator Kunst- und Bildwissenschaften, werden Lüneburger Forscher mit anderen Kollegen an dem Projekt arbeiten - etwa Peter Weibel, Leiter des Zentrums für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe und Miriam Meckel, Direktorin des Instituts für Medien- und Kommunikationsmanagement der Universität St. Gallen und Mitglied des Stiftungsrats der Uni.

"Den Sendern laufen die Seher weg - in Heerscharen", erklärt Leuphana-Vizepräsident Holm Keller den Hintergrund des Projekts. "Wer heute von zu Hause auszieht, nimmt den Computer mit, den Fernseher nicht." Da will das Forschungsprojekt ansetzen und drei Fragen zum Thema Internetfernsehen der Zukunft beantworten.

Erstens: Wie können Nutzer motiviert werden, qualitativ hochwertige Filme zu produzieren - fernab von Filmchen über die Geburt von Katzenjungen oder Ähnlichem? Zweitens: Welche Formate kann es fürs Internetfernsehen geben - denn da herrscht noch große Leere? Und drittens: Auf welcher Geschäftsgrundlage kann das funktionieren - im öffentlich-rechtlichen wie im privaten Raum?

"Es gibt keine Geschäftsmodelle, die funktionieren. Bislang haben die öffentlichen und privaten Medien viele Millionen ins Internet investiert und nur sehr wenig davon zurückverdient", sagt Keller. "Selbst der Weltmarktführer in Sachen bewegte Bilder im Internet, Youtube, verdient kein Geld." Eber jene Google-Tochter wird der Lüneburger Uni die technische Infrastruktur für ihr Projekt zur Verfügung stellen. Das würde laut Keller sonst viele Millionen Euro kosten und bis zu drei Jahre dauern - "und dann wäre das Thema durch".

Weiter wird die Zusammenarbeit mit Youtube aber nicht gehen: Die Uni wird nicht das Verhalten der Youtube-Nutzer analysieren, "das kann Youtube selber besser", stellt Keller auf Nachfrage der Lüneburger Rundschau klar. Auch die Ergebnisse des Forschungsprojekts werden für jedermann und jedes Unternehmen veröffentlicht.

In erster Linie will das die Uni selbst sein, Arbeitsplätze sollen in Lüneburg im Zuge von "Kenup" entstehen: Redakteure und andere Internet- respektive Fernsehprofis sollen die von den Nutzern eingesandten Beiträge sortieren, bewerten und gegebenenfalls bearbeiten - ähnlich dem Vorbild von Al Gores "Current TV" in den USA, mit dem Unterschied, das "Kenup" keine Nachrichten senden soll, sondern Fiktion.

"Im Bereich News ist Europa ist gut aufgestellt, der Markt ist gesättigt", sagt Keller. "Der Bereich Fiktion ist aber ein großes schwarzes Loch - dabei gibt es große Chancen, dies zu füllen, von jungen Filmemachern bis zu absoluten Laien." Dass das funktioniere, habe die Startwoche der Uni bewiesen, in der die Erstsemestler kleine Filmchen über die in der Stadt entstandenen Streetart-Kunstwerke gedreht haben.

Die Aufgabe sei nun, auf der einen Seite weiter hoch professionelle, ethische Medien zu etablieren und auf der anderen Seite den von Nutzern selbst hergestellten Inhalt, "user generated content".

Dass gerade im ländlichen Bereich in Deutschland die unzureichende Breitbandversorgung das Internet als Medium für bewegte Bilder von vornherein ausschließt, weiß auch Keller: "Da haben wir in Deutschland ein Problem und werden eine Lösung finden müssen." Die Uni werde auch deshalb auf Mobilfunkanbieter zugehen und über Kooperationen reden. "Mobilfunknetze auszubauen, könnte politisch weniger kompliziert sein als die Breitbandversorgung."

Für die herkömmlichen Sender interessiert sich das Lüneburger Forschungsprojekt dabei nicht: "Wir entwickeln keine Strategie für die Fernsehanstalten." Für die Lücke, die die zum neuen Internetfernsehen abwandernden Nutzer dort hinterlassen, müssen andere Leute Lösungen entwickeln.

"Kenup" wird, schätzt Keller, zu 95 Prozent englischsprachige Inhalte haben. "Es wird ein englischsprachiges Projekt." In Lüneburg solle lediglich das "Nervensystem" des Mediums sitzen: die Profis, die die Laien-Produktionen weiterverarbeiten. Und das könnte neue Arbeitsplätze für die Region bedeuten. Wie viele, mag Keller nicht schätzen: "Das wäre unseriös."