In einem Projekt haben Auszubildende die Parteien zur Förderung von Behinderten befragt. Die Resonanz war ernüchternd.

Lüneburg. Am 27. September haben die Deutschen wieder die Wahl. Und selten zuvor gab es so viele unentschlossene Wähler: Laut Infratest dimap ist der Anteil der Unentschiedenen deutlich höher als vor vier Jahren. Liegt es daran, dass es für viele gar nicht so einfach zu beurteilen ist, welche Partei den eigenen Vorstellungen und Wünschen nahe kommt?

Für Menschen mit Behinderungen gestaltet sich dieser Entscheidungsprozess noch erheblich schwerer. Auch sie wollen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Doch durch die umfangreichen und oft kompliziert formulierten Wahlprogramme durchzublicken, stellt häufig eine Hürde dar. Häufig würden schon einfachere Formulierungen weiterhelfen, finden auch Schüler des Instituts für Weiterbildung in der Kranken- und Altenpflege in Lüneburg. Am IWK erlernen sie unter anderem den Beruf des Heilerziehungspflegers, die sich um Menschen mit Behinderungen kümmern.

Rund 30 Schüler der Klasse von Lehrer Marcel Legrand befassten sich nun mit dem Thema Wahlen und checkten die Programme der verschiedenen Parteien gezielt nach Informationen und Aussagen zur Förderung von Behinderten.

"Jede Partei, ausgenommen die NPD, hat in ihrem Wahlprogramm das Thema Behindertenpolitik angesprochen. Meistens in Bezug auf das Thema Barrierefreiheit oder Wohnsituationen", so die Schülerin Swaantje Heiners.

Doch dieses reichte den Schülern nicht. Sie wollten herausfinden, wie die einzelnen Parteien zu weiteren Fragen im Bezug auf Menschen mit Behinderungen stehen. "Wir haben einen Fragenkatalog von insgesamt zehn Fragen erstellt und direkt an die Parteien in Berlin geschickt, um gezielt nach deren Ansichten zum Thema Menschen mit Behinderungen zu forschen", erklärt Legrand. Dabei ging es beispielsweise um Fragen der Integration von Behinderten in Ausbildungs- und Arbeitswelt oder der Möglichkeiten für Menschen mit Behinderung eigene Familien zu gründen.

Ihre Erkenntnisse wollten die Schüler dann in einem Flyer zusammenstellen und in den Wohnheimen und Werkstätten verteilen, um so die Informationen an Menschen mit Behinderung direkt weiterzugeben. Doch aus diesem Plan wurde nichts. Denn die Reaktionen der Parteien waren äußerst dürftig.

"Wir haben kaum Reaktionen bekommen. Bis auf die FDP hat keine Partei auf unsere Fragen geantwortet", berichten die enttäuschten Schüler. "Wenigstens von den großen Parteien hätte ich eine Antwort erwartet, vor allem jetzt im Wahlkampf. Aber so gar keine Reaktion zu bekommen ist schon demotivierend", meint die Schülerin Lea Weber.

Gabrielle Reimus, stellvertretende Vorsitzende des Behinderten-Beirats Lüneburg wurde von der Rundschau über das Projekt der Schüler informiert. Sie lobte das Engagement der jungen Leute. "Das Thema Wahlen wird bei Menschen mit Behinderungen heiß diskutiert. Für viele ist es wichtig, wählen zu gehen und von ihrer Stimme Gebrauch zu machen, aber Informationen zu bekommen ist für sie meistens schwer."

Karl Funke, Landesbeauftragter für Menschen mit Behinderungen des Landes Niedersachsen, sieht das nicht ganz so: "Es gibt auf jeden Fall genügend Angebote und Informationen in leichter Sprache für Menschen mit Behinderung." Das Problem sei nur, dass diese Informationen oft nicht bei den Betroffenen ankommen. Es müsse dafür gesorgt werden, dass solche Programme auch durch die Medien besser verbreitet werden, so Funke. Genau das war der Plan der Schüler, der nun an der mangelnden Partizipation der Parteien scheiterte.