Die frisch gegossene Schifferglocke ist fast fertig. Doch ihren Platz unter dem Dach wird sie nur mithilfe eines Autokrans erreichen können.

Lüneburg. Mit der neuen Glocke erfüllt sich für die Kirchengemeinde St. Nicolai einen Traum: Zum 600-jährigen Geburtstag des Patronats der Stadt über die Kirche kommt die neue Schifferglocke. Ganz einfach erreichen wird sie ihren Platz im Glockenturm aber nicht. Der Zugang über den Innenraum der Kirche St. Nicolai wird nämlich von der Orgel versperrt: "Die Orgel wurde vor rund 100 Jahren eingebaut. Damals hat man den Zugang zum Glockenturm mit dem Einbau der Orgel teilweise verschlossen", sagt Uwe Asmussen, der den Glockenausschuss an St. Nicolai leitet.

Auf den ersten Blick erscheint das Vorgehen der Orgelbaumeister seltsam. Aber Asmussen sagt: "Ich denke, man kann den Baumeistern von damals keinen Vorwurf machen. Denn Glocken wurden für die Ewigkeit gegossen." Eventuell könne zwar ihr Mantel reißen, das sei in St. Johannis passiert - dann könne sie nicht mehr läuten. Aber in aller Regel überstehe eine Glocke die Jahrhunderte ohne Schaden, so Asmussen. Mit diesem Gang der Dinge hatten auch die Orgelbaumeister in St. Nicolai gerechnet: "Vor hundert Jahren konnte niemand ahnen, dass die Weltkriege empfindliche Lücken in den Glockenbestand reißen würden", erzählt Asmussen.

Der Glockenturm von St. Nicolai wurde 1944 geplündert: "Offiziell geschah dies zur Rohstoffgewinnung. Aber ich denke mir, dass es auch eine Maßnahme des NS-Regimes war, um die Kirchen mundtot zu machen", sagt Asmussen. "Man hat die zweite große Glocke zerschlagen und die einzelnen Stücke einfach vom Turm auf die Straße geworfen", erzählt Asmussen. Nur eine Glocke im Turm überstand den Raubbau: "Die Marienglocke aus dem Jahr 1491 hat man im Turm gelassen - vermutlich aufgrund ihrer großen kunsthistorischen Bedeutung."

Jetzt bekommt St. Nicolai einen "Glockenersatz": Eine neue Glocke für die Lüneburger ist einer Gießerei in Hessen bereits gegossen worden, Mitte September wird das gute Stück in Lüneburg erwartet: "Die Glocke ist wunderschön, ich habe sie schon gesehen", sagt Asmussen. "Im Moment wird sie tiefer gestimmt, ihr Ton lag etwas höher als erwartet."

Verziert ist ihr Bronzemantel mit Psalmen und einem Band, dass die Berliner Bildhauerin Anna Franziska Schwarzbach entworfen und umgesetzt hat: "Das Schmuckband ist prachtvoll", sagt Asmussen.

Damit auch die Lüneburger Gelegenheit haben, sich von der Schönheit der neuen Glocke zu überzeugen, ist ein Glockenfest in Vorbereitung: Am Donnerstag, den 17. September, erreicht die neue Schifferglocke Lüneburg. Gegen 10 Uhr steht sie auf dem Markt - am Tag darauf wird sie um 17 Uhr enthüllt, bevor am Sonnabend, den 19. September, ein Pferdefuhrwerk die Glocke durch die Stadt und zu den Kirchengemeinden transportiert. Das letzte Stück ihres Weges legt die Glocke am Sonntag, den 21. September, zurück: Ein Autokran wird sie durch die Schallluke an der Südseite des Turmes heben - hoffentlich diesmal für viele hundert Jahre.

Inklusive aller Handwerker- und Montagekosten rechnet Asmussen mit 110 000 Euro für die neue Glocke - eine Menge Geld. Daher freut sich die Kirchengemeinde über weitere Spenden. Die entsprechende Bankverbindung und das gesamte Programm der "Glockenweihe" ist im Internet einsehbar.

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