136 offene Stellen in Stadt und Landkreis Lüneburg sowie im Kreis Harburg - aber kaum Bewerber.

Lüneburg. Susanne Müller (Name von der Redaktion geändert) hat keinen leichten Job. Weil sie nicht genug Kollegen hat, muss die examinierte Altenpflegerin in einem Lüneburger Seniorenheim kräftig schuften - oft viele Nachtschichten am Stück, und oft sehr spontan.

Die 22 Jahre alte Altenpflegerin hat ihren Arbeitsplatz vor zwei Jahren auf Empfehlung ihres Arbeitgebers von Thüringen nach Lüneburg verlegt, "weil es hier viel zu wenig Bewerber gibt", sagt sie. "In meiner Heimatstadt war es genau das Gegenteil - da gab es zu viele Bewerber auf die wenigen Stellen."

Lüneburg gefällt der jungen Altenpflegerin sehr, aber die Arbeit hier ist stressig. "Wir sind unterbesetzt in unserem Heim." Die Pflegesituation bei ihrem Arbeitgeber sei zwar gut, "aber dafür müssen wir auch viele Überstunden machen", so Müller. Selten könne sie pünktlich Feierabend machen, auch längere Urlaubszeiten seien undenkbar - wegen der knappen examinierten Fachkräfte. "Wenn dann noch jemand krank wird, wird es ganz eng", sagt Müller.

Die Heimleitung versuche, die Lücken mit Arbeitskräften von Zeitarbeitsfirmen zu stopfen oder direkt an den Altenpflegeschulen neue Kräfte anzuwerben. Ohne großen Erfolg - der Mangel bleibt. "Man gewöhnt sich daran." Sie klingt ein wenig hilflos, wenn sie das sagt. Und sie gibt zu: Ideal ist diese Situation nicht.

Susanne Knuth von der Arbeitsagentur in Lüneburg bestätigt: "Die Altenheime suchen händeringend Fachkräfte." Sie hält den kürzlich geänderten Betreuungsschlüssel für einen der Gründe: "Seitdem ist der Bedarf enorm gestiegen, die Heime benötigen auf einmal mehr Personal." Aber auch der demographische Wandel mache sich bemerkbar. "Das ist der Trend - ein bundesweites Problem", so Knuth.

Dorothea Kirst-Schmidt, die Leiterin des Instituts für Weiterbildung in der Kranken- und Altenpflege in Lüneburg (IWK) sieht zumindest eine Teilschuld bei den Einrichtungen. Denn die hätten lange Zeit zu viel gespart, zu wenig ausgebildet. "Die Heime haben einfach kein Personal mehr. Jetzt sehen sie, dass sie etwas tun müssen und investieren endlich wieder in den Nachwuchs." Zum 1. September 2009 hat die IWK erstmalig 42 Auszubildende. "Sonst hatten wir kleine Klassen mit zwölf oder 14 Schülern", so Kirst-Schmidt. Trotz mehr Auszubildender in diesem Jahr warnt sie: "Da kommt ein Problem auf uns zu." 2020 würden in Lüneburg rund 40 Prozent mehr Menschen über 60 Jahren wohnen als heute.

Ein weiterer Grund für den Nachwuchsmangel seien die anspruchsvollen Inhalte der dreijährigen Ausbildung. "Von Medizin bis Diagnostik müssen 24 Lernfelder, also Fächer, koordiniert werden", so Kirst-Schmidt. Die Abbrecherquote liegt bei durchschnittlich 20 Prozent.

Der Kreis sieht indes keine akuten Probleme in den Heimen. Die zuständige Fachdienstleiterin für die Heimaufsicht im Landkreis Lüneburg, Christiane Demmig, sagt, die gesetzlich vorgeschriebenen Personalschlüssel und Fachkraftquoten würden eingehalten. "Es gibt momentan keine Einrichtungen, die die Quoten nicht erfüllen."

Doch der Bedarf an Pflegekräften wird weiter steigen. In und um Lüneburg wird derzeit viel gebaut: Bei der alten Stadtgärtnerei ist für Oktober die Eröffnung eines Pflegeheims mit 144 Plätzen geplant, am Roten Feld entsteht bis November eine Einrichtung mit 171 Plätzen. Hinzu kommen neue Heime im Landkreis, etwa in Amelinghausen oder in Reppenstedt.

Das Problem ist nicht unbekannt. Christiane Demmig gibt zu: "Vor dem Hintergrund der zahlreichen Neuerrichtungen von Seniorenheimen in Stadt und Landkreis frage ich mich, wo die ganzen Pflegekräfte dafür herkommen sollen."