Molkereien zahlen immer weniger. Landwirte bangen um ihre Existenz und drohen jetzt mit drastischen Maßnahmen.

Neetze. Mit den Milchpreisen geht auch die Stimmung bei den Landwirten im Landkreis Lüneburg immer tiefer in den Keller: Mehrere Discounter haben den Milchpreis zum Wochenbeginn um bis zu sieben Cent je Liter auf nunmehr 48 Cent gedrückt. Bauer Ottfried Wolter aus Neetze, regionaler Vertreter des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM), sagt: ,,Ja, wird produzieren noch, setzen aber mächtig Geld zu."

Zurzeit zahlten die Molkereien den Bauern im Landkreis nur noch 22 Cent pro Kilogramm Milch. Das ist nur gut die Hälfte von den 40 Cent, die die Landwirte im Vorjahr mit dem Milchboykott erreichen wollten, um vernünftig in ihren Betrieben wirtschaften und in sie investieren zu können. ,,Meine Prognose lautet, dass wir im Herbst nur noch 14 Cent je Kilogramm erhalten werden - plus oder minus drei Cent je nach Region", glaubt Wolter.

Die Entwicklung macht die Bauern aggressiv. Sie haben Angst um ihre Zukunft. Wolter: ,,Die Lage ist dramatisch. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der erste Betrieb bei uns Bankrott anmeldet." Es müsse etwas passieren. ,,Jeder Kollege sollte es begriffen haben, dass es für uns nur noch um Sieg oder Untergang geht." Noch herrsche die Ruhe vor dem Sturm, meint Wolter. ,,Aber wir haben wohl keine Wahl, als zu drastischen Maßnahmen zu greifen." Er könne sich sogar einen erneuten Lieferboykott vorstellen.

Martin Morisse, Mitglied im BDM-Bundesvorstand aus Sandstedt im Kreis Cuxhaven, meint unterdessen, dass ein Boykott zurzeit nicht wahrscheinlich sei. ,,Die finanziellen Reserven der Landwirte sind aufgezehrt. Wir können uns einen Streik nicht leisten. Zumal Molkereien uns bei einem weiteren Boykott mit dem Rauswurf drohen", sagt er.

Dennoch könnte die Situation eskalieren, den Bauern der Kragen platzen, wenn das Marktgleichgewicht nicht wiederhergestellt und die Milchschwemme durch Quotierungen, wie vom BDM gefordert, eingedämmt werde. Morisse: ,,Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir Landwirte es zulassen werden, unsere alten und traditionsreichen Betriebe kampflos zu verlassen - spätestens, wenn Insolvenzen zum Tragen kommen."

Die Krux sei, dass die Milchproduktion weiter steige, erklärt er. Allein in Deutschland sei die Milchanlieferung bei den Molkereien im April um 3,4 Prozent gestiegen im Vergleich zum Vorjahresmonat. ,,Es ist ein Trugschluss, dass es auf dem Weltmarkt einen Milchmangel gibt. Die Menschen hungern in vielen Ländern zwar mehr als jemals zuvor, aber sie haben kein Geld, um sich Nahrungsmittel zu kaufen", sagt Morisse.

Milchbauer Ottfried Wolter ergänzt: ,,Die Politik der Molkereien ist, die Preise für Milch niedrig zu halten, um auf dem Weltmarkt zu punkten. Verständlicherweise greifen die Discounter zu, weil sie günstig an Milch kommen."

Und die Landwirte, sie produzieren kräftig weiter, um Einnahmen zu erzielen. Martin Morisse: ,,Die Bauern verhalten sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht richtig. Aber volkswirtschaftlich gesehen, führt das zum Preisverfall und in die Katastrophe."