Ein Qualifizierungsprojekt für Arbeitsuchende trägt auch für hilfsbedürftige Geringverdiener Früchte.

Lüneburg

Die zahlreichen Sonnenstunden der vergangenen Wochen hat Nicole Mürner aus Amelinghausen wie viele Andere auch im Grünen verbracht. Im Unterschied zu Hobbygärtnern aber, tut die 23-Jährige damit etwas für ihre Chance auf einen neuen Job und hilft Geringverdienern. Denn die gelernte Werkerin im Gartenbau gehört zu den etwa zehn Langzeitarbeitslosen, die eine Parzelle im Kleingartenverein Am Zeltberg bewirtschaften. Deren Ernte geht an die Hilfsorganisation Lüneburger Tafel.

Bei den Verteilstellen für Hilfsbedürftige in der Straße "Im Tiefen Tal" wollen die Neugärtner im Herbst vor allem heimische Gemüse von Kartoffeln über Erbsen und Bohnen bis hin zu Kürbissen abliefern. Außerdem blühen bald in dem zuvor verwaisten Schrebergarten Sonnen- und Ringelblumen. "Darauf freue ich mich schon", sagt die 23-jährige Nicole. Sie arbeitet am liebsten mit Blumen.

Zurzeit ist die junge Frau aber vor allem mit dem Zupfen von Unkraut beschäftigt. "Das muss auch gemacht werden", sagt sie zufrieden. "Hauptsache ich bin draußen an der frischen Luft und die Kollegen sind nett zu mir." Mit Blick auf Corinna Baukau fährt sie grinsend fort: "Unsere Aufseherin ist auch sehr nett zu uns." Die damit gemeinte Betreuerin sieht mit ihrem verspielten Mischlingshund Teddy aber gar nicht nach der Chefin einer Strafkolonie aus.

Baukau hat in der Gartenkolonie vielmehr die Aufgabe, die Teilnehmer des Projekts job.plattform zu motivieren, ihre eigenen beruflichen Potenziale zu erkennen. Sie kommen zu der Maßnahme von Diakonischem Werk und Arbeiterwohlfahrt durch die Berater der Arbeitsgemeinschaft Arbeit und Grundsicherung (Arge) . "Dieser Teil unserer Klienten weist multiple Vermittlungshemmnisse auf", drückt es Julian Friedel aus. Er arbeitet als Fallmanager bei der Arge, die für die Empfänger von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) im Landkreis zuständig ist.

Viele der Langzeitarbeitslosen leiden unter körperlichen oder psychischen Krankheiten. Außerdem haben sie in der Regel entweder gar keinen oder einen sehr schlechten Förder- oder Hauptschulabschluss. Um ihrem Fernziel vom festen Arbeitsverhältnis einen Schritt näher zu kommen, müssen sie zunächst einmal neues Selbstbewusstsein sammeln.

"Die Biografien der Teilnehmer sind oftmals durch Misserfolge geprägt", erklärt Friedel. "Da macht es sie schon sehr stolz, wenn sie ihre selbst gepflegten Pflanzen in die Höhe wachsen sehen." Mit den Stängeln wächst auch der Mut der Arbeitslosen, die teilweise unter Depressionen leiden oder suchtkrank sind.

Dass es einen Ausweg aus der Spirale nach unten gibt, zeigt das Beispiel von Bernd Marschall. Der 32 Jahre alte Lüneburger tritt demnächst eine Stelle als Landschaftsgärtner bei der gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft der Lebenshilfe Lüneburg-Harburg in Adendorf an.

"Da kann ich auch an Maschinen arbeiten, von denen ich hier nur träume", sagt Marschall. Am meisten freut er sich auf den Lärm von Motorsäge und Holzhäcksler sowie das Rütteln von Rasenmäher und Motorsense.