Zu Beginn meines Studiums war ich mehr als begeistert von meiner Wohnsituation: ein Leben im Studentenwohnheim mitten auf dem Campus.

Die Vorteile meines neuen Lebens lagen auf der Hand: Kurze Wege (aus dem Bett in die Vorlesung fallen), Mensakost verschmähen und dafür gutes Essen zuhause verzehren oder zwischen zwei Seminaren schnell auf einen Kaffee in die gemütliche Wohnküche.

Besonders bewusst dieser massiven Vorteile wurde ich mir bei schlechtem Wetter. Wer wollte denn bei Regen und Kälte mit dem Fahrrad zur Uni fahren?! Auch für Pendler konnte ich kein Mitgefühl aufbringen: Metronom verpasst oder gar ausgefallen?! Selber Schuld, dachte ich mir, hier auf dem Campus lässt es sich doch auch ganz vorzüglich leben!

Meine Faulheit jubilierte von Tag zu Tag mehr. Vom Campus fortbewegen kam mir gar nicht erst in den Sinn. Der Discounter für meine Nahrungsversorgung lag doch direkt nebenan, mein Job war auf dem Campus und meine Freunde konnten doch immer zu Besuch kommen.

Dann aber vergingen ein paar Monate. Ich merkte, wie die Faulheit langsam Überhand nahm. Oft aß ich lieber die Vorräte meiner Mitbewohner auf, als selber einkaufen zu gehen. Freunde, die außerhalb des Campus wohnten, besuchte ich fast gar nicht mehr. Zehn Minuten Rad fahren - das war eindeutig zu anstrengend!

Außerdem ergriff mich ein Gefühl der Isolation. Andere Menschen als die auf dem Campus traf ich nicht mehr. Gab es überhaupt noch Personen, die nicht studierten?! Wochenenden und Semesterferien wurden zum Schrecken, denn dann war der Campus leergefegt. Nur ich war stets vor Ort: In meiner Wohnung mitten auf dem Campus. Gründe, um diesen Ort zu verlassen, fielen mir nicht ein. Es war ja alles um die Ecke.

Zum Glück habe ich den Absprung geschafft und mir eine Wohnung in der Stadt gesucht. Zwei- oder dreimal täglich mit dem Rad zur Uni fahren, macht mir gar nichts aus. Auch Regen schreckt mich nicht. Bin ja schließlich nicht aus Zucker!

Nora Unger studiert Angewandte Kulturwissenschaften an der Uni Lüneburg.