Nicht mehr alle Leistungen sollen aus Pflichtbeiträgen bezahlt werden. Die betriebliche Alterversorgung ist noch nicht neu geregelt. Hauptgeschäftsführer Michael Zeinert und Präsident Eberhard Manzke im Gespräch.

Lüneburger Rundschau:

Den Prozess gegen den ehemaligen Hauptgeschäftsführer Wolfram Klein haben Sie vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) gewonnen, vor dem Landgericht verloren. Mitarbeiter klagen gegen die von Klein abgeschlossene abgespeckte Ruhegeldsatzung. Wie steht es um diese Prozesse?

Michael Zeinert:

Vor dem Verwaltungsgericht klagt der Personalrat gegen die von ihm selbst mit Herrn Klein abgeschlossene Dienstvereinbarung zur Altersversorgung. Dort warten wir auf den Verkündungstermin. Drei Arbeitsgerichtsprozesse haben wir durch Vergleiche beendet, zwei sind noch offen.

Eberhard Manzke:

Wir hatten gehofft, dass das Landgericht in seinem Klein-Urteil etwas zur Wirksamkeit der umstrittenen Dienstvereinbarung sagen würde. Das ist aber nicht geschehen. Die IHK befindet sich daher in einer komplizierten Situation: Der Personalrat sagt überzeugend, dass Klein ihn getäuscht habe. Dazu haben wir neue Beweismittel vorgelegt, die das Gericht aber nicht bewertet hat. Trotzdem müssen wir uns an die Dienstvereinbarung halten, sagen unsere Anwälte.

Rundschau:

Das Landgericht entschied, die fristlose Kündigung Kleins sei unwirksam, die IHK muss mehr als 100 000 Euro zahlen. Gehen Sie in Berufung?

Zeinert:

Das entscheidet das Präsidium Anfang kommender Woche.

Rundschau:

Welche Prioritäten verfolgt die IHK jetzt?

Zeinert:

Wir wollen durch eine ganze Reihe neuer Leistungs- und Veranstaltungsangebote die Beziehung zwischen der IHK und ihren Mitgliedern verbessern. Wir wollen mehr Kontaktmöglichkeiten schaffen. Es geht aber auch darum, unsere Kostenstruktur weiter zu verbessern und ein leistungsorientiertes Vergütungssystem einzuführen. Über die Struktur des Modells haben wir uns schon geeinigt, ich gehe davon aus, dass es zum 1. Juli kommt. Allerdings geht das erst nach Einführung einer neuen Altersversorgung.

Rundschau:

Die sollte bis Ende dieses Jahres stehen. Wie weit ist die IHK damit?

Zeinert:

Die Hoffnung auf eine schnelle Einigung mit dem Personalrat hat sich zerschlagen, das eingesetzte Beratungsgremium war nicht erfolgreich. Nun hat das OVG auf unseren Antrag eine Einigungsstelle eingesetzt. Der Vorsitzende wird vom OVG-Präsidenten benannt. Kommt es auch in der Einigungsstelle nicht zu einer Lösung, kann dieser Vorsitzende verbindlich entscheiden.

Rundschau:

Auch einzelne überhöhte Zahlungen an aktive Pensionäre sollten auf den Prüfstand.

Zeinert:

Im Rahmen der Neuordnung der gesamten betrieblichen Altersversorgung wollen wir das Niveau der Zahlungen an aktive Pensionäre überprüfen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen.

Rundschau:

Was soll sich bei Kostenstruktur und Finanzierung ändern?

Manzke:

Wir stellen alle Gebühren auf den Prüfstand. Die Krise hat zudem gezeigt, dass wir sehr abhängig von variablen Faktoren wie etwa den Gewerbeerträgen sind. Wir wollen die Grundbeiträge erhöhen, variable Faktoren absenken.

Zeinert:

Das geschieht aufkommensneutral. Wir schichten also lediglich um, damit die starken konjunkturellen Schwankungen reduziert werden. Auch die Schwelle zur Beitragspflicht ändert sich nicht.

Manzke:

Die Lage etwa von Volkswagen hat bei uns große Auswirkungen auf den Wirtschaftsplan. Zukünftig werden sich gute und schlechte Jahre aneinander angleichen.

Rundschau:

Herr Manzke, bei der jüngsten Vollversammlung sollen Sie sich für die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft ausgesprochen haben.

Manzke:

Das habe ich so nicht formuliert. Die IHK erfüllt zum einen hoheitliche Aufgaben wie etwa Lehrlingsausbildung, Handelsregisterführung und Prüfungen, und zum anderen freiwillige Aufgaben wie etwa Weiterbildung und Seminare. Für die hoheitlichen Aufgaben gibt es zur Pflichtmitgliedschaft keine Alternative, der Staat müsste sonst eine Behörde schaffen. Die duale Ausbildung muss solidarisch von der gesamten Wirtschaft getragen werden.

Rundschau:

Die freiwilligen Aufgaben will vermutlich niemand bezahlen, der sie nicht auch in Anspruch nimmt.

Manzke:

Zumindest sind sie kein Argument für die Pflichtmitgliedschaft. Wir wollen sie daher buchhalterisch klar von den hoheitlichen trennen und sie künftig im Wettbewerb anbieten. Freiwillige Leistungen sollen die Nutzer bezahlen, keiner mit Pflichtbeiträgen.

Rundschau:

Ein Zugeständnis an die Kammerkritiker?

Manzke:

Die Idee ist aus Diskussionen mit Gegnern der Pflichtmitgliedschaft in der Vollversammlung entstanden. Wir wollen zufriedene Mitglieder.

Zeinert:

Wir sind auf die Bindung zu unseren Mitgliedern angewiesen. Die IHK lebt von der Solidarität vieler Engagierter. 92 feste Mitarbeiter und 2000 Ehrenamtliche aus den Unternehmen müssen gut zusammenarbeiten, nur das lässt die IHK so wirtschaftsnah, kompetent und kostengünstig wie jetzt sein.

Rundschau:

Wann startet das neue System?

Manzke:

Wir rechnen in der zweiten Jahreshälfte 2010 mit ersten Ergebnissen. Ziel ist, den Haushalt 2011 auf diese Weise abbilden zu können. Im Übrigen bin ich mit dem Jahr 2009 sehr zufrieden. Wir verzeichnen etwa bei den Seminaren deutliche Umsatz- und Ergebnissteigerungen. Auch die Dozenten gehen den Weg der Kosteneinsparungen mit, indem wir über Honorare verhandeln. Das macht uns froh und stolz.

Rundschau:

Herr Manzke, als Präsident der IHK sprechen Sie sich für den Bau der Autobahn 39 aus. Werden Sie auch als Unternehmer davon profitieren?

Manzke:

Ich bin Baustoffproduzent und beteilige mich an keiner Ausschreibung. Die Aufträge gehen an Bauunternehmer. Als letztes Glied in der Kette profitiere ich aber selbstverständlich von jedem Baugeschehen.

Zeinert:

In einer Selbstverwaltung mit ehrenamtlich tätigen, aktiven Unternehmern ist das auch gar nicht anders möglich.

Manzke:

Natürlich setze ich mich nur für Dinge ein, hinter denen ich wirklich stehe. Und stellen Sie sich einmal vor, es würde heute die Ostumgehung oder die A 250 nicht geben.