Altes Land. Wolf tötet mehr als zehn Deichschafe auf Hahnöfersand. Herde schwer traumatisiert. Viele Muttertiere hatten gerade Lämmer bekommen.

  • Das Alte Land hat ein Wolf-Problem: Seit Wochen sichten Landwirte und ihre Familien einen Wolf in ihren Obstplantagen
  • Auf der Gefängnisinsel Hahnöfersand hat es nun schon den zweiten Angriff innerhalb kurzer Zeit gegeben
  • Was macht das mit den betroffenen Schäfern und Herden? Wir haben nachgefragt

Schon wieder hat es einen Wolfsangriff an der Hamburger Stadtgrenze gegeben, schon wieder ist das Alte Land betroffen: Auf Hahnöfersand wurden nach Angaben von Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts mehr als zehn Schafe offenbar von einem Wolf oder mehreren Wölfen getötet. Im Verdacht steht ein junger Wolf, der seit Wochen durch die Obstplantagen im Alten Land und über die Obsthöfe streift.

Die Gefängnisinsel vor Jork wurde damit zum zweiten Mal von Wölfen heimgesucht. Auf der abgeriegelten Elbinsel, auf der sich eine Justizvollzugsanstalt der Hansestadt Hamburg befindet, gab es bereits am 9. März einen Wolfsangriff auf Deichschafe, die für den Küstenschutz eingesetzt werden. Damals wurden zwei Schafe getötet und acht verletzt – teils so schwer, dass sie eingeschläfert werden mussten.

Wieder Wolfsattacke im Alten Land: Schäfer und Deichrichter „schwer erschüttert“

Es war das erste Mal, dass der Wolf auch in der Gemeinde Jork und direkt am Elbdeich zugeschlagen hatte – einem touristischen Hotspot. Für die Deichschäfer der II. Meile war spätestens mit dieser Attacke an der Hamburger Grenze aus latenten Befürchtungen ein Angstthema geworden.

Eines der gerissenen Schafe auf Hahnöfersand, das direkt an der Elbe aufgefunden wurde.
Eines der gerissenen Schafe auf Hahnöfersand, das direkt an der Elbe aufgefunden wurde. © privat/Deichverband | privat/Deichverband

Wenig später nun die nächsten Wolfsrisse im Alten Land: Am Mittwochmorgen entdeckte der Schäfer des Deichverbandes der II. Meile des Alten Landes mehrere tote Schafe auf der Elbinsel Hahnöfersand, die offenbar von einem Wolf gerissen worden sind. Sie grasten hinter einem mehr als einen Meter hohen Zaun auf dem Deich direkt an der Elbe.

Tote und verletzte Tiere – Schäfer und Deichrichter erschüttert

„Diesmal wurden die Schafe von dem Raubtier aus der Umrandung gescheucht und in zwei Richtungen getrieben“, sagt Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts vom Deichverband der II. Meile Alten Landes. Sieben seien direkt gerissen worden, insgesamt seien über zehn Tiere getötet worden. Einige weitere wurden bei dem Wolfsangriff teilweise schwer verletzt.

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Was Ulferts sehen musste und was der Deichschäfer am Mittwochmorgen bei der Fütterung der Tiere entdeckt hatte, schlägt den erfahrenen Deichschützern schwer aufs Gemüt: Sie fanden die Herde abgelammter Muttertiere völlig verängstigt vor, einige waren schwer verletzt und blutig, berichtet der Oberdeichrichter.

Manche seien in einem so desolaten Zustand gewesen, dass sie direkt eingeschläfert werden mussten, einige weitere dürften wahrscheinlich ebenfalls nicht mehr zu retten sein. „Ein Schaf wurde zu Dreivierteln aufgefressen, einige nur angefressen“, so Ulferts. Besonders der Anblick der schwerverletzten Tiere und ihr Leid sei „nur sehr schwer zu ertragen gewesen“.

Oberdeichrichter und Stader Landrat fordern wolfsfreie Zonen

Der Deichschäfer ist mit seinen 250 Schafen auf dem Elbdeich der II. Meile im Auftrag des Deichverbands für die Deichpflege zuständig. „Die latente Bedrohung durch die Wölfe ist schrecklich für ihn. Wir hoffen, dass er trotzdem weitermacht“, sagt Ulferts. An der Oste, wo es bereits einige tödliche Wolfsangriffe auf Deichschafe gegeben hat, bei denen Dutzende Tiere getötet wurden, habe bereits die Hälfte aller Tierhalter gekündigt, die für den dort zuständigen Deichverband die Deichpflege übernommen hatten, so Ulferts.

Dieser junge Wolf wird seit Wochen im Alten Land beobachtet, gefilmt und fotografiert. Ob er für die Risse auf Hahnöfersand verantwortlich ist, sollen nun DNA-Proben ergeben.
Dieser junge Wolf wird seit Wochen im Alten Land beobachtet, gefilmt und fotografiert. Ob er für die Risse auf Hahnöfersand verantwortlich ist, sollen nun DNA-Proben ergeben. © privat/Deichverband | privat/Deichverband

Schafe gelten nach wie vor als unerlässlich für den Deichschutz und die Deichpflege: Sie beißen das Gras kurz ab, was gut für die Wurzel ist, treten den Deich fest und schützen damit viele hunderttausend Anwohner. In ganz Norddeutschland schützen die Deiche rund drei Millionen Menschen vor Hochwasser. Ulferts fordert daher wolfsfreie Zonen an den Deichen: „Das halte ich für alternativlos. Mit normalen Mitteln sind die Schafe an den Deichen vor den Wölfen nicht zu schützen.“

DNA-Analysen vom ersten Wolfsriss Anfäng März liegen immer noch nicht vor

Auch Stades Landrat Kai Seefried wiederholt diese Forderung regelmäßig. Er hat sich am Mittwochmittag selbst ein Bild von der Lage auf Hanhöfersand gemacht. Gemeinsam mit Oberdeichrichter Ulferts und weiteren Vertretern des Deichverbandes verfolgte er die Spur des Wolfes. „Wir werden uns jetzt in eigener Zuständigkeit als Untere Naturschutzbehörde auf den Weg machen und eine Abschussgenehmigung vorbereiten“, sagt Seefried.

Er setzt alles daran, dass die DNA-Analysen alsbald vorliegen. „Wir werden beim Umweltministerium und beim Senckenberg-Institut darauf drängen, dass die Untersuchungen kurzfristig vorgenommen werden“, kündigt der Landrat an. Allerdings: Die Ergebnisse der DNA-Proben vom ersten Wolfsriss Anfang März liegen der Unteren Naturschutzbehörde immer noch nicht vor.

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Landrat Seefried erneuert auch im Hinblick auf den erneuten Wolfsriss seine Forderung in Richtung Landes- und Bundesregierung nach einem funktionierenden Bestandsmanagement. „Wir sehen hier wieder einmal, dass die bestehenden Regelungen nicht praktikabel sind“, sagt Seefried. „Diese komplizierten Verfahrensabläufe können niemandem mehr vermittelt werden.“

Ein Teil der Herde mit rund 250 Schafen auf dem Elbdeich bei Lühe. Diese Tiere waren von dem ersten Wolfsangriff im Alten Land auf Hahnöfersand betroffen.
Ein Teil der Herde mit rund 250 Schafen auf dem Elbdeich bei Lühe. Diese Tiere waren von dem ersten Wolfsangriff im Alten Land auf Hahnöfersand betroffen. © Sabine Lepél | Sabine Lepél

Wölfe bei Hamburg: Junge Mutter mit Baby mag nicht mehr vor die Tür gehen

Das Meinungsbild, das das Abendblatt nach einer kleinen Umfrage in Jork erhalten hat, bestätigt diesen Eindruck. Die Menschen äußern sich überwiegend besorgt darüber, dass mindestens ein junger Wolf seit ein paar Wochen regelmäßig und auch bei Tageslicht durch die Obstplantagen, an befahrenen Straßen und über die Höfe läuft, wie auf diversen Fotos und Videos zu sehen ist und vom zuständigen Wolfsberater bestätigt wurde.

„Eine junge Mutter aus der Nachbarschaft mag mit ihrem Baby gar nicht mehr vor die Tür gehen“, sagt ein Obstbauer, der selbst bereits mehrfach Wolfssichtungen auf seinem Hof erlebt hat. Er glaubt nicht daran, dass die Risse nur von dem einen jungen Wolf zu verantworten sind, den er und seine Familie ebenfalls schon beobachtet haben und der offensichtlich seit Wochen im Alten Land resident ist.

„Der ist nach meiner laienhaften Einschätzung noch zu unerfahren. Wir dürften hier inzwischen mehrere Wölfe haben als nur den einen“, sagt der Mann, der lieber anonym bleiben möchte, weil er Hasskommentare befürchtet. Das sei inzwischen leider die Realität – egal, wie man sich inhaltlich zum Thema Wolf äußere.