Zahlreiche Bewerbungen von Osteuropäern gehen bei Außenhändlern in Norddeutschland ein. Die Sprachprobleme erweisen sich als Hürde.

Hamburg. Sein neuer Job führt Peter Tutervai jeden Tag in den Wilden Westen, zu Cowboys und Indianern. Seit Anfang Mai arbeitet der 22-Jährige aus Budapest beim Harburger Spieleentwickler Innogames und programmiert das Onlinespiel "The West". Zudem betreut er ungarische Nutzer in ihrer Muttersprache. "Ich bin froh, dass ich durch die gesetzlichen Änderungen so unkompliziert bei Innogames anfangen konnte", sagt der Ungar. Auch für Innogames ist es ein Erfolg, die Stelle besetzt zu haben - schließlich sind weitere 20 Jobs für Entwickler offen.

Möglich wurde Tutervais schnelle Einstellung durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit seit dem 1. Mai. Bürger aus den acht EU-Staaten Polen, Tschechien, Ungarn, Slowenien, Slowakei, Litauen, Estland und Lettland dürfen jetzt ohne Einschränkungen in Deutschland arbeiten. "Wir haben schon früher in Osteuropa um Mitarbeiter geworben", sagt Dennis Heinert, Sprecher bei Innogames. "Jetzt ist der Einstellungsprozess aber deutlich unkomplizierter." Das heißt: Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis fallen weg, zudem der Nachweis der Firma, dass kein Deutscher für den Job zu finden ist.

Peter Tutervai ist nicht der einzige Osteuropäer, der den Hamburger Arbeitsmarkt für attraktiv hält. Bei gut zwölf Prozent der Firmen im norddeutschen Groß- und Außenhandel sind bereits Bewerbungen aus Osteuropa eingegangen, wie aus einer Blitzumfrage des AGA Unternehmensverbandes für das Abendblatt hervorgeht. Mehr als die Hälfte von 233 befragten Firmen aus den fünf Küstenländern erhoffen sich Vorteile aus der Arbeitnehmerfreizügigkeit. "Jede sechste Firma sucht explizit Mitarbeiter aus den osteuropäischen Staaten", sagt AGA-Hauptgeschäftsführer Volker Tschirch. "Vorrangig sind Fachkräfte aus den Bereichen IT, Vertrieb und Logistik gefragt." Ein knappes Viertel der befragten Unternehmen erwarte mehr Fachkräfte, knapp sechs Prozent freuen sich auf mehr qualifizierte Ausbildungsbewerber. Der Verband geht davon aus, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit besonders auf die ausbildenden Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern positive Auswirkungen haben wird.

Auch die Handelskammer Hamburg sieht mehr Chancen als Risiken. "Die Arbeitsmarktöffnung kann dazu beitragen, den Fachkräftemangel, der sich als Wachstumsbremse herauskristallisiert, zu lindern", sagte Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz. Das sieht man ähnlich beim IT-Netzwerk Hamburg@work, das die gute Ausbildung von Programmierern aus Osteuropa lobt.

In der Pflegebranche ist der große Ansturm auf Jobs im Norden bisher ausgeblieben. "Wir müssen noch Überzeugungsarbeit leisten, damit die Menschen ihre Heimat verlassen", sagt Petra Huber, Regionalleiterin der Personalvermittlung Medkontor. Die Anerkennung von Berufsabschlüssen aus dem Ausland sei im Pflegebereich ein Hindernis, ebenso die Sprachbarriere. Medkontor hat deshalb für zehn Bewerber aus Osteuropa einen Deutschkursus in Hamburg organisiert, der im Juni beginnt.

"Wir suchen weiter, damit wir die zahlreichen Personalanfragen von Kliniken bedienen können", sagt Huber. Beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung rechnet man damit, dass dank der neuen Regelungen 100 000 bis 140 000 Personen nach Deutschland einwandern werden. Das werde das Bruttoinlandsprodukt um 0,2 Prozent erhöhen.

Die Hamburger Arbeitsagentur rät Firmen, die Bewerber auch bei Umzug und Bürokratie zu unterstützen. "Wichtig ist, dass sich die Fachkräfte willkommen fühlen", sagt Sprecher Knut Böhrnsen. Das ist bei Peter Tutervai längst der Fall. Sein neuer Arbeitgeber Innogames spendiert ihm nicht nur einen Deutschkursus, sondern bringt ihn auch in einer firmeneigenen Wohnung unter. "Hamburg gefällt mir außerordentlich gut", sagt Tutervai, "vor allem die vielen Grünflächen."