Kiel. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) hat nach eigenen Angaben erst am 27.Dezember aus der Zeitung von der Geiselnahme am 24. Dezember in der Justizvollzugsanstalt Lübeck erfahren. Und erst im Anschluss an die erste Unterrichtung des zuständigen Landtagsausschusses am 9. Januar habe ihn die zuständige Justizministerin Anke Spoorendonk (SSW) ausführlich informiert. Vor dem Innen- und Rechtsausschuss des Landtages in Kiel nahm Albig aber Spoorendonk am Mittwoch gegen den Vorwurf in Schutz, sie habe nicht ausreichend informiert oder politische Fehler gemacht. Es habe sich bei der versuchten Geiselnahme um einen abgeschlossenen Vorgang im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums gehandelt: „Der Fall betrifft nicht die Grundzüge der Regierungspolitik.“

Albig bestätigte Spoorendonk ausdrücklich angemessenes Handeln, aber versprach auch eine gründliche politische Analyse der Abläufe: „Wir nehmen das sehr ernst und nehmen uns Zeit.“ Auf zahlreiche Nachfragen der Oppositionsparteien CDU, FDP und Piraten zu Details reagierte Albig dann deutlich genervt: „Sie reden hier mit dem Regierungschef, nicht mit einem Hansel.“

Spoorendonk bleibt massiv unter Druck. Sie hatte sich anfangs ausdrücklich hinter die JVA-Chefin Agnete Mauruschat gestellt, obwohl die erst mit eintägiger Verspätung Polizei und Staatsanwaltschaft von der schweren Straftat hinter Gittern informiert hatte. Inzwischen hat Spoorendonk sie als Gefängnisdirektorin abgelöst. Die Staatsanwaltschaft Lübeck ermittelt wegen des Verdachts der Strafvereitelung. Wegen der späten Meldung der Geiselnahme konnten mögliche Beweise nicht mehr gesichert werden. Auch der Verdacht, dass die beteiligten Gefangenen stark betrunken waren, als sie einen JVA-Mitarbeiter für etwa zehn Minuten in ihre Gewalt brachten und mit einem Messer bedrohten, lässt sich nicht mehr nachweisen mangels zeitnaher Blutproben. Wie berichtet, konnten andere Mitarbeiter der Haftanstalt die Geiselnahme beenden. Inzwischen ist klar, dass der Alarmplan durchaus vorsah, bei solchen Straftaten umgehend Polizei, Staatsanwaltschaft und Ministerium zu informieren. Die Gewerkschaft Ver.di kritisiert die Nichteinhaltung der im Alarmplan vorgesehenen Maßnahmen als „eine Gefahr für Leib und Leben der Beschäftigten“.

Für die Oppositionsparteien sind Spoorendonks Einlassungen widersprüchlich. Hinzu kommen immer mehr Details über die je nach Sichtweise lasche oder auch liberale Amtsführung der Gefängnisdirektorin. Die Oppositionsparteien beklagen einen Mangel an Transparenz bei der Landesregierung. Sie haben einen Antrag auf Aktenvorlage gestellt und wollen auch Details zur Versetzung von Mauruschat erfahren.