Frankfurter Professor Volkhard Kempf und sein Team sollen Klinikum unterstützen. Gewerkschaft Ver.di erhebt Vorwürfe

Kiel/Hamburg. Ist die rasche Ausbreitung eines gefährlichen multiresistenten Keims im Uniklinikum Kiel eine Folge von Sparmaßnahmen? Genau diesen Vorwurf macht die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di der Klinikleitung. Inzwischen steht fest, dass mindestens zwölf verstorbene Patienten den Keim hatten, weitere 19 Patienten haben sich angesteckt oder tragen zumindest den Keim und sind jetzt auf mehreren Stationen streng isoliert. Die Klinikleitung stellte am frühen Montagabend den Frankfurter Professor und Hygieneexperten Volkhard Kempf vor, der mit seinem Team helfen soll, den Keim nachhaltig zu bekämpfen.

Laut Klinikleitung war bei neuen Todesfällen der Keim Acinetobacter baumannii nicht ursächlich, zwei Fälle werden noch untersucht. Das Klinikum muss inzwischen um seinen guten Ruf bangen. Zwar haben das Gesundheitsamt Kiel und das zuständige Gesundheitsministerium den Verantwortlichen um Klinikchef Jens Scholz – Bruder des Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz – bestätigt, sie hätten alle vorgeschriebenen Maßnahmen ergriffen und auch entsprechend die Behörden informiert.

Der schleswig-holsteinische Patienten-Ombudsmann und frühere Regierungschef Peter Harry Carstensen mahnte das Klinikum aber, Vertrauen in eine solche Einrichtung habe mit Offenheit und Transparenz zu tun: „Es hat mich schon gewundert, wie spät die Öffentlichkeit informiert worden ist.“ Tatsächlich hat die Klinikleitung erst am 23. Januar erstmals informiert, erst Nachfragen führten dazu, dass auch die Todesfälle bekannt wurden. Das war fast auf den Tag genau einen Monat, nachdem das Klinikum das Gesundheitsamt informiert hatte. Spätestens Anfang Januar, so der FDP-Landeschef und Landtagsabgeordnete Heiner Garg, hätten Klinikum und Ministerium eine Strategie entwickeln müssen für die Information der Öffentlichkeit.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will jetzt die Meldepflichten verschärfen für die Krankenhäuser. Die Ausbreitung könne zudem durch strikte Einhaltung der Hygienevorschriften verbessert werden.

Genau hier setzt die Kritik von Steffen Kühhirt an. Er ist Landesfachbereichsleiter Gesundheit der Gewerkschaft Ver.di und für ihn liegt der Zusammenhang zwischen dem erfolgten Personalabbau und der Privatisierung der Reinigungs- und Servicebereiche und den Hygienemängeln auf der Hand: „Bei Zeitmangel bleibt die Hygiene auf der Strecke.“ Das Uniklinikum Kiel habe zudem einen traurigen Spitzenplatz bei Überlastungs- und Gefährdungsanzeigen durch das Pflegepersonal. Am höchsten seien die im vergangenen Jahr ausgerechnet auf den Intensivstationen gewesen, wo die Verschleppung des Keims ihren Ausgang genommen habe: „Der Sparkurs auf dem Rücken von Beschäftigten und Patienten muss sofort beendet werden.“ Es fehle am Uniklinikum nicht nur an der Zeit für die Hygiene, auf den Intensivstationen stünden die Betten auch viel zu nah beieinander. Kühhirt: „Das geschieht allein aus wirtschaftlichen Gründen.“

Jetzt setzt das Klinikum auf die Expertise des Teams um Professor Kempf. Der ist seit 2009 Chef des Instituts für Mikrobiologie und Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Frankfurt. Ein Forschungsschwerpunkt ist die molekulare Schnelldiagnostik, um mögliche Erreger schneller zu identifizieren, was letztlich Leben retten kann.

Multiresistente Keime sind Bakterien, denen die meisten Antibiotika nichts mehr anhaben können. In bestimmten Fällen helfen sogar einige Reserveantibiotika nicht mehr – wie bei dem in Kiel festgestellten Stamm des Bakteriums Acinetobacter baumannii. Gesunden Menschen droht von multiresistenten Keimen in der Regel keine Gefahr. Im Krankenhaus allerdings, wo bei schwer kranken Menschen das Immunsystem stark geschwächt ist, können multiresistente Erreger gefährlich werden.

Jedes Jahr sterben laut Gesundheitsministerium 7500 bis 15.000 Menschen an Infektionen, die durch multiresistente Keime hervorgerufen werden. Die wahre Zahl dürfte allerdings höher liegen. Solche Ausbrüche seien aber auch bei optimaler Einhaltung von Hygienemaßnahmen nur schwer einzudämmen, teilt Professor Matthias Hermann mit, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM). Das hätten international dokumentierte Ausbrüche mit Acinetobacter baumannii gezeigt. „Allein auf Grundlage der aus Kiel berichteten Ereignisse besteht daher keinerlei Anlass, als Ursache für das dortige Geschehen Hygienemängel oder sonstige Fehler in der Krankenversorgung zu vermuten“, so Hermann. In Hamburg sei 2013 ein Ausbruch mit Acinetobacter baumannii gemeldet worden, teilt die Gesundheitsbehörde auf Anfrage mit. Für 2014 lägen noch keine Angaben vor.