Nils Brandt ist neuer Kommandant des Segelschulschiffs. Er sieht sich als Vorgesetzter auf Augenhöhe mit der 120-köpfigen Mannschaft. Montag geht es mit dem Segelschulschiff auf Fahrt.

Kiel. Es ist „Seemannsonntag“. In der Offiziersmesse der „Gorch Fock“ ist der Tisch gedeckt, am Nachmittag werden der neue Kommandant Nils Brandt und seine Offiziere zusammensitzen und sich Kaffee und Kuchen schmecken lassen. Eine Tradition, die auf allen Schiffen der Deutschen Marine gepflegt wird: „Ich bin mir sicher, dass Kolumbus Amerika an einem Donnerstag entdeckt hat“, ist die persönliche Begründung des Hamburgers dafür, dass heute, an einem schnöden Wochentag, „Seemannsonntag“ ist.

Strahlend weiß liegt die Gorch Fock im Hafen des Marinestützpunktes Kiel. An Deck schuften gerade 33 Sanitätsoffiziersanwärter und knapp 70 Mitglieder der 120-köpfigen Stammbesatzung. In drei Gruppen stehen sie hintereinander und halten die dicken Tampen. Auf Kommando wird im gleichen Takt gezogen. Langsam hebt sich die Rah, an der das schwere Segel hängt, in die Höhe. 150 Kilo Stoff und bis zu 3,5 Tonnen Gewicht der Rah werden bewegt – kein Wunder, dass die jungen Frauen und Männer nach dem Manöver mit hochroten Köpfen dastehen.

In der kommenden Woche geht es über die Ostsee nach Gotland, da müssen die Abläufe an Deck sitzen. Teamwork ist angesagt, bei allem, was an Arbeit auf der Bark anfällt. „Hier funktioniert alles mit Muskelkraft“, erläutert Kommandant Brandt. Alle, die später als Offiziere auf den Schiffen der „grauen Flotte“ fahren, kommen für ein Vierteljahr auf das Segelschulschiff. Neben dem Handwerk sollen sie vor allem eins lernen: Demut vor Wind und Wellen. „Mit Maus und Tastatur die Welt zu beherrschen, ist einfach. Sich mit den Elementen zu arrangieren, ist für viele eine neue Erfahrung“, sagt Nils Brandt.

Nach zwei tragischen Todesfällen in den vergangenen Jahren, bei denen Offiziersanwärterinnen aus den Masten gestürzt waren, hatte die Marine vor drei Jahren die Kadettenausbildung ausgesetzt und die Standards überarbeitet. Erst seit 2013 sind wieder Offiziersanwärter an Bord. Jeder von ihnen trägt ein Sicherungsgeschirr mit dicken Karabinerhaken. Wer bis zu 27 Meter hoch in die Masten steigt, ist immer und überall konsequent gesichert. Nur beim Aufstieg in den Wanten sind die jungen Leute auf sich selbst gestellt.

Vor der Praxis auf dem Schiff steht in der Marineschule in Flensburg-Mürwik Trockentraining an einem Übungsmast auf dem Stundenplan. Wer Höhenangst hat, der wird heute verständnisvoll unterstützt, einmal sollte jeder Kadett oben gewesen sein. „Es ist gut, wenigstens einmal den Schweinehund zu überwinden“, sagt Brandt.

Kommunikation und Teamgeist – diese Begriffe tauchen immer wieder in den Erklärungen des Kommandanten auf. „Das Team ist für mich nicht nur ein Begriff, das fordere ich ein“, sagt er zum Beispiel. Mit seiner freundlichen, jovialen Art geht er offen mit jedem Mitglied der Besatzung um, gleichzeitig strahlt er eine souveräne Autorität aus, die keine Zweifel aufkommen lässt, wer die Verantwortung trägt und die Entscheidungen fällt.

Gediegene Seefahrerromantik kommt auf, wenn man im Unterdeck die Räume des Kommandanten besucht. An holzgetäfelten Wänden, vorbei an der Galerie seiner Vorgänger, geht es zum Büro von Nils Brandt. An einer Wand hängt eine Zeichnung der „Gorch Fock“, einige Orden liegen hübsch aufgereiht in einer Nische. In der Kapitänskajüte baumelt vor einem Bullauge ein blaues Mobile mit Leuchttürmen und Booten. Vor Jahren hat es eine der drei Töchter im Kindergarten gebastelt.

Nebenan, im heutigen Empfangszimmer, speisten früher die Kommandanten mit den Offizieren fernab der Mannschaft – für Brandt undenkbar. Auf Auslandsreisen empfängt er hier diplomatische Vertreter, jetzt aber dient der Raum als Bügelzimmer. Denn der Auftritt eines Mitglieds der Marine muss tadellos sein. „Wenn die Besatzung Landgang hat, gibt es immer eine Kleiderkontrolle.“ Deshalb liegen auch in den Räumen unter Deck, in denen die Mannschaft lebt, jede Menge Bügeleisen für den Ernstfall bereit. Hier ist alles funktional und modern. An den Wänden reihen sich die Spinde aus Aluguss aneinander, darin ein paar kleine Fächer und eine schmale Stange für die Uniform. Abends werden durch die Räume Ketten gespannt, an denen auf zwei Etagen Hängematten für jeweils 22 Kadetten aufgehängt werden. Ein roter Vorhang trennt die weibliche von der männlichen Mannschaft. Eine Treppe tiefer, auf dem Plattformdeck, befindet sich das gefühlt kleinste Fitnessstudio der Welt.

Nils Brandt weiß, wie sich seine jungen Kadetten fühlen. Gleich zu Anfang seiner Offiziersausbildung war er 1986 das erste Mal auf der „Gorch Fock“. Nach zehn Jahren Dienst auf See und an Land war er dann ein Jahr lang Divisionsoffizier auf der Bark. Es folgten Auslandseinsätze, unter anderem am Horn von Afrika. Seit 2013 war er Erster Offizier auf der „Gorch Fock“, im Juni übernahm er das Kommando von seinem Vorgänger Helge Risch. Seit 40 Jahren segelt er. Wenn er frei hat, ist er oft auf seinem Boot auf der Kieler Förde. Und am Wochenende bekocht der 48-Jährige am liebsten Frau und Töchter zu Hause in Hamburg-Hausbruch.