Es war verschollen, wurde wiederentdeckt und falsch zusammengesetzt. Jetzt kehrt eine Replik des Bronzezeit-Werks auf die Insel zurück

Helgoland/Berlin. Jahrzehntelang war das Helgoländer Steinkistengrab aus der Bronzezeit in Vergessenheit geraten. 1893 auf der Hochseeinsel ausgegraben, wurde es wenig später nach Berlin gebracht und galt nach dem Zweiten Weltkrieg als verloren. Erst 2008 wurde es per Zufall wiederentdeckt. Heute stehen die auf den ersten Blick unscheinbar wirkenden Steinplatten im Neuen Museum in Berlin. Am heutigen Dienstag soll das Grab auf die rote Felseninsel zurückkehren – jedoch nur als Nachbildung.

Am 30. August wird die Einweihung am Museum Helgoland gefeiert. „Wir machen das älteste Stück Helgoländer Kultur wieder sichtbar“, sagt Museumsleiter Jörg Andres. Das Grab datieren Experten auf das 16. Jahrhundert vor Christus, also frühere Bronzezeit. Mehr als 70.000 Euro hat die Replik gekostet – finanziert vom Museum Helgoland, von der Kulturstiftung Schleswig-Holstein und privaten Unterstützern. „Es ist das einzige Relikt, das den Reichtum der bronzezeitlichen Bewohner Helgolands durch den Abbau der dortigen Kupfervorkommen dokumentiert“, sagt Marion Bertram, Kuratorin im Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte. Heute gebe es auf Helgoland keine Spuren der Bronzezeit mehr. „Umso wichtiger ist es, dass der Ursprung und die Bedeutung dieser Steinkiste rekonstruiert werden konnten“, erklärt sie.

Rückblende: Auf Helgoland-Karten aus dem 17. Jahrhundert waren noch mehrere Hügelgräber aus der Bronzezeit verzeichnet. „Wir gehen davon aus, dass sie bei schweren Sturmfluten zerstört wurden“, berichtet Andres. Offiziell geöffnet wurden nur zwei. Das eine 1849 durch den Gründer des Seebades Helgoland, Jacob Andresen Siemens, doch davon sind nach Angaben des Museums Helgoland nur noch Mini-Fragmente in Kopenhagen erhalten.

Der Chemiker Hermann Otto Wilhelm Olshausen grub 1893 das zweite Grab aus. In der 2 mal 2,50 Meter großen Steinkiste lag ein männlicher Leichnam mit Schmuckbeigaben. Wer dieser Mann genau war, weiß bis heute niemand. Aber Andres ist sich sicher: „Das war ein sehr aufwendiges Grab. Deshalb muss es eine hochgestellte, wohlhabende Person gewesen sein.“

Die außergewöhnlichen Funde wurden nach Berlin transportiert. Das Skelett und die Beigaben waren schon kurze Zeit später nicht mehr auffindbar. Die Steinplatten wurden im Martin-Gropius-Bau aufgestellt, der im Zweiten Weltkrieg jedoch getroffen wurde und niederbrannte. Während des Kalten Krieges stand der Bau einsturzgefährdet an der Grenze zum Ostsektor und durfte nicht betreten werden. Was mit dem Grab geschehen war, war unklar. „Auch das Wissen über diese Steine ging verloren“, sagt Andres. Denn als in den späten 50er-Jahren in den Trümmern des Gropius-Baus eine Holzkiste mit Steinplatten gefunden wurde, fanden sich dazu keine Unterlagen mehr. Schließlich endete das Steinkistengrab im Schlosspark Charlottenburg – datiert auf die Steinzeit, falsch zusammengesetzt, ohne Ortsbezeichnung. Auch der Helgoländer Museumsleiter Andres war 2005 zufällig dort – ohne zu ahnen, an welcher Besonderheit er gerade vorbeispaziert war.

Erst als der Umzug des Museums für Vor- und Frühgeschichte in das Neue Museum in Berlin anstand, wurde die wahre Herkunft wiederentdeckt. „Fachleute merkten, das stimmt alles nicht“, berichtet Andres. Sie fanden in Archiven die richtigen Papiere wieder. Eine Bohrung gab Sicherheit: Das Gestein stammt von Helgoland.

Das Interesse auf der Insel an dem Stück Geschichte ist groß. „Dass wir das Original nicht wiederbekommen, ist völlig klar“, sagt Andres. „Es ist ja auch eine tolle Werbung, wenn in Berlin auf der Museumsinsel Millionen Besucher daran vorbeilaufen.“