Anwohner der Gemeinde im Kreis Segeberg gründen Bürgerinitiative. Landesbetrieb Verkehr kündigt Bußgeld an

Bockhorn. Verärgert öffnet Heino Brandt sein Gartentor und stapft durch die Barker Heide. Bislang begann hier für ihn die ländliche Idylle. Doch damit ist es nun vorbei. Seit Wochen müssen der 54-Jährige und seine Töchter immer häufiger Prostituierte bei ihrer Arbeit beobachten – denn die gehen nur wenige Meter entfernt von ihrem Garten im Ortsteil Bockhorn der Gemeinde Bark im Kreis Segeberg ihrem Geschäft nach.

Heino Brandt ist nur einer von vielen Anwohnern, die sich das nicht bieten lassen wollen. Gemeinsam kämpfen sie mittlerweile mit einer Bürgerinitiative gegen die Prostitution an der Bundesstraße 206, die direkt durch die Dörfer führt. Hier hat sich in den vergangenen Monaten Schleswig-Holsteins umstrittenster Straßenstrich entwickelt. Rund ein Dutzend Prostituierte stehen Tag für Tag an den Rastplätzen direkt vor den Ortseingängen und warten auf Arbeit. Von früh bis spät fahren sie mit den Autos ihrer Freier wenige Meter in den Wald hinein, hinterlassen dort im Naturschutzgebiet Kondome und Müll. Toiletten oder andere Waschmöglichkeiten gibt es in der Gegend nicht.

650 Unterschriften gegen den Straßenstrich vor ihrer Haustür hat die Bürgerinitiative bereits gesammelt. Nahezu alle Einwohner der Dörfer entlang der B206 haben unterschrieben. Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation gab es bisher nicht – keine Behörde fühlte sich zuständig. Jetzt aber hat der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBV) die Initiative ergriffen.

Mithilfe der Polizei will der LBV die Prostituierten überprüfen lassen. Denn laut Bundesfernstraßengesetz brauchen die Prostituierten eine Sondergenehmigung für ihre Arbeit an den Rastplätzen. Haben sie diese nicht, begehen die Frauen eine Ordnungswidrigkeit. Schon bei der ersten Kontrolle droht dann eine Strafe von 100 Euro.

Torsten Conradt ist Direktor des LBV. Er hat die Polizei auf das Gesetz hingewiesen und geht davon aus, dass sie bald entsprechende Kontrollen vornehmen wird. „Wir haben dieses Gesetz bereits im vergangenen Jahr erfolgreich angewandt“, sagt Conradt. Damals sei es um einen einzelnen Wohnwagen gegangen. Die Mitglieder der Initiative reagieren erleichtert. „Endlich hat uns eine Behörde erhört“, sagt Mitbegründerin Doris Laß. „Wir wollen keine schlaflosen Nächte mehr und hoffen, dass endlich etwas getan wird.“

Neben dem Müll in der Barker Heide stören die Anwohner sich besonders am Verhalten vieler Freier. Wiederholt seien diese bereits durch die Waldwege gerast, um nicht von Spaziergängern erkannt zu werden. „Ich konnte mich und meine Hunde gerade noch retten“, sagt Laß. Und: Die Sexszenen seien besonders für Kinder schwer zu ertragen.

Nicht nur für die Bockhorner ist die Situation unerträglich. Auch die Prostituierten arbeiten unter unwürdigen Bedingungen. Jozefa Paulsen von der Fachstelle gegen Frauenhandel hat sie besucht. Die Frauen machten nicht den Eindruck, als würden sie zur Arbeit gezwungen, so Paulsen. Die Arbeitsbedingungen aber seien nicht nur unhygienisch, sondern auch unsicher. Im Wald seien die Frauen möglicherweise gewalttätigen Freiern hilflos ausgeliefert.

In den vergangenen Wochen hatte die Bürgerinitiative vergeblich Druck bei Behörden gemacht. Ordnungsamt, Gemeinde, Innenministerium, Kreisverwaltung – niemand möchte zuständig sein. Ein landesweites Problem mit Prostitution sieht das schleswig-holsteinische Innenministerium allerdings nicht. Mit möglichen Sperrbezirken wird sich das Ministerium nach Auskunft von Sprecher Thomas Giebeler nur befassen, wenn die Kommunen geschlossen darum bitten. „Bis dahin ist der Kreis zuständig“, sagt Giebeler. „Neumünster hat gezeigt, wie es geht.“

In der Tat haben die Prostituierten vorher in Neumünster gearbeitet. Die Stadt hat sie mit Sperrbezirken vertrieben. Seitdem stehen die Frauen an der B206. Der Kreis Segeberg glaubt indes nicht, dass es rechtlich möglich ist, an der B206 Sperrbezirke zu erlassen. Voraussetzung dafür sei eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Diese liege hier aber nicht vor. Schließlich seien anders als in Neumünster keine Kindergärten oder Schulen in der Nähe. Der Kreis befürchtet nun, dass die Prostituierten einfach in die nächste Gemeinde weiterziehen.

Der Landesbetrieb Verkehr hat angekündigt, das Gesetz auch an anderen Bundes- oder Landstraßen durchzusetzen. Innerorts aber seien die Gemeinden zuständig. Zu dem Zuständigkeitswirrwarr hat Doris Laß eine klare Meinung: „Die Sache muss landesweit geregelt werden. Sonst hat bald die nächste Gemeinde das Problem.“