Möglichkeiten zu anlasslosen Kontrollen werden im Norden sehr unterschiedlich genutzt

Kiel. Die schleswig-holsteinische Polizei bedient sich der umstrittenen Gefahrengebiete in sehr unterschiedlicher Weise. Manche Polizeidirektionen nutzen dieses Instrument, das mit Einschränkungen von Freiheitsrechten verbunden ist, schon seit Jahren intensiv, andere nur sehr selten. Die Gerichte, die nach drei Monaten über eine Verlängerung solcher polizeilichen Maßnahmen entscheiden müssen, spielen offenbar problemlos mit. Das haben Recherchen des Abendblatts ergeben.

So wird beispielsweise in einem Beschluss des Amtsgerichts Ratzeburg zur Ausweisung eines Gefahrengebiets für den gesamten Kreis Stormarn lediglich die Argumentation der Polizei referiert. In Stormarn seien „wöchentlich durchschnittlich 50 bis 70 Aufbrüche von Wohnungen mit anschließenden Diebstählen zu verzeichnen“, heißt es in der Entscheidung vom 9. Januar dieses Jahres. Aufgrund dieser „erheblichen Zunahme an Kriminalität“ habe die Polizei Anfang November 2013 Anhalte- und Sichtkontrollen angeordnet. Und weiter: „War damit aber bereits eine ausreichende Anordnungslage für die Polizei gegeben, so gilt für die richterlich anzuordnende Verlängerung nichts anderes.“ Für insgesamt vier Monate wurde Stormarn so zum Gefahrengebiet, in dem die Polizei anlasslose Kontrollen vornehmen und ohne Grund das Fahrzeuginnere in Augenschein nehmen konnte. Patrick Breyer, Landtagsabgeordneter der Piraten, kritisiert die Entscheidung des Amtsgericht. „Es geht nicht auf die Frage ein, inwiefern die ungezielten Kontrollen geeignet sind, Einbrüche zu verhindern“, sagt er.

Die Verhängung von Gefahrengebieten ist im Paragrafen 180 geregelt

Viele Einbrüche gab es zuletzt auch in anderen Gegenden des Landes. Zum Beispiel in Kiel. 740 waren es im Jahr 2011. Zum Vergleich: In Stormarn waren es damals 866. Dennoch kam in der Polizeidirektion Kiel niemand auf die Idee, die ganze Stadt zum Gefahrengebiet zu machen. Zwar sind dort seit 2010 nach Auskunft der Polizei Gefahrengebiete „im niedrigen einstelligen Bereich“ verhängt worden, meist aber nur „für einige Stunden“. Anlass waren „Feierlichkeiten von Rockergruppierungen“. Einbruchdiebstahl wird in der Landeshauptstadt offenbar anders bekämpft als im Kreis Stormarn oder im Kreis Pinneberg. Den hatte die Polizei von Anfang November 2013 bis Ende März 2014 zum Gefahrengebiet erklärt.

Die Verhängung von Gefahrengebieten ist im Paragrafen 180 des Landesverwaltungsgesetzes geregelt. Weitergehende Kontrollen, auch verdachtslose Identitätsfeststellungen, erlaubt der Paragraf 181. Er gilt für gefährliche Orte. Die Kieler Polizei erklärt beispielsweise die Kieler Woche Jahr für Jahr zum gefährlichen Ort. Die Neumünsteraner Polizei kombiniert die beiden Paragrafen miteinander und spricht von einem „dualen Kontrollansatz“. Den Landespolitikern ist das alles unbekannt. Der Landtagsabgeordneter Burkhard Peters (Grüne) hat einen Bericht des Innenministers Andreas Breitner (SPD) angefordert.