Niedersachsens Verkehrsminister will Bevölkerung früh an der Planung neuer Autobahnen und Schnellstraßen beteiligen

Hannover/Kiel. Der niedersächsische Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) legt sich mit dem kleinen Koalitionspartner an. Er hat am Montag in Hannover nicht nur die Notwendigkeit der von den Grünen abgelehnten Autobahnprojekts A2 (Küstenautobahn) und A39 (Lüneburg–Wolfsburg) betont. Der Minister kündigte auch an, er wolle mit frühzeitiger Beteiligung aller Bürger an der Planung die Akzeptanz für neue Schnellstraßen erhöhen.

Der Minister wurde bei Vorstellung des neuen Transparenzverfahrens deutlich: „Die bisherige Erfahrung zeigt, dass sich bei Großprojekten die Gegner besonders lautstark zu Wort melden, während die Befürworter mitunter zur schweigenden Mehrheit zählen.“ Er wolle, so Lies, die Befürworter ermuntern, sich zu beteiligen. „Für mich als Verkehrsminister ist der Ausbau der A39 der richtige Weg“ sagte Lies: „Da ist dringender Handlungsbedarf. So kann es nicht bleiben.“ Und in der Küstenautobahn mit Elbquerung sieht er ein Projekt von europäischer Dimension: „Wir brauchen nicht nur den Erhalt und die Sanierung von Straßen, sondern auch den Neubau.“

Lies legte zudem einen festen Zeitplan vor, damit künftig die Bürger schon lange vor dem förmlichen Planfeststellungsverfahrens Gelegenheit erhalten, sich über die Arbeit der Behörden zu informieren, über die Vorplanungen und die Kosten-Nutzen-Rechnungen. Die für den März 2015 geplante Verabschiedung einer vorläufigen Prioritätenliste soll in eine zweimonatige Online-Konsultation als Angebot für alle Bürger münden. Voraussichtlich im Juli 2015 soll dann die endgültige Liste der Projekte mit Priorität von der Landesregierung beschlossen und an das Bundesverkehrsministerium übermittelt werden. Spätestens dann geht es auch um die Frage des Koalitionsfriedens, denn SPD und Grüne regieren in Niedersachsen mit nur einer Stimme Mehrheit und der Widerstand gegen die A20 und die A39 hat für mehrere Grünen-Abgeordnete einen hohen Stellenwert. Verkehrsminister Lies legte am Montag gleich noch eine kleine Provokation drauf mit der Forderung, auch die A 2 müsse quer durch Niedersachsen von bislang drei auf dann vier Fahrspuren je Richtung erweitert werden. Allein diese Maßnahme würde nach gegenwärtigem Stand rund 2,43 Milliarden Euro kosten. Wegen des chronisch unterfinanzierten Bundesverkehrswegeplanes ist allerdings damit zu rechnen, dass sich diese Diskussion auf besonders belastete Abschnitte im Großraum Hannover/Braunschweig konzentriert. Den achtspurigen Ausbau fordert seit einiger Zeit auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft für ihr Bundesland und liegt deshalb auch mit ihrem grünen Koalitionspartner über Kreuz.

Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion, Jörg Bode, begrüßte das Bekenntnis von Lies für den Bau von A 20 und A 39: „Eine weitere Verzögerung des Baus aus rein koalitionstaktischen Gründen ist den Menschen in den betroffenen Regionen nicht zuzumuten.“ Der stellvertretende CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer dagegen verweist auf die „Verweigerungshaltung“ der Grünen: „Lies will vor allem Zeit gewinnen, um sich vor einer Entscheidung zu drücken, die zur Dauerbelastung des rot-grünen Regierungsklimas wird.“ Die Grünen ihrerseits reagierten nicht auf das Bekenntnis des Verkehrsministers zum Autobahnbau. Ihre verkehrspolitische Sprecherin Susanne Menge begrüßte lediglich die Einbindung der Menschen „in alle Entscheidungsprozesse“. Die Grünen-Fraktion werde das Verfahren konstruktiv-kritisch begleiten: „Spätestens nach der Erfahrung mit Stuttgart 21 wissen wir, dass es wichtig und richtig ist, alle gesellschaftlichen Kräfte in den Prozess einzubinden.“

Das Land Schleswig-Holstein beabsichtigt nicht, bei der Anmeldung von Projekten für den Verkehrswegeplan des Bundes die Bürger anzuhören. Welche Infrastrukturvorhaben auf die Liste kommen, entscheidet der Landtag in Kiel. Bereits 2013 wurden weitere Abschnitte der A 20 angemeldet, die eines Tages die Elbe bei Glückstadt queren und dann als Küstenautobahn weiter durch Niedersachsen führen soll. Die ohnehin schwierige Finanzierung der Elbquerung aber hängt daran, dass auf beiden Seiten die Autobahn gebaut wird und so ein ausreichendes Verkehrsaufkommen garantiert ist. Derzeit endet die Autobahn noch in der Nähe von Bad Segeberg. In die Kategorie „vordringlicher Bedarf“ gehört in Schleswig-Holstein außerdem der Neubau der Fehmarnsundquerung. Die Brücke, die die Insel mit dem Festland verbindet, hat nur eine Spur je Fahrtrichtung und wird deshalb zum Nadelöhr, wenn der Fehmarnbelttunnel zwischen der Insel und Dänemark fertig ist.