Ägyptischer Investor Radyamar soll seine Anteile verkauft haben. Verwirrung über Auswirkungen auf den Betrieb.

Lübeck. „Man muss nur einen langen Atem haben, und den habe ich“, sagte Mohamad Radyamar im November 2012. Da hatte ihm die Stadt Lübeck gerade ihren chronisch defizitären Flughafen verkauft. Falls man bei einem Preis von exakt einem Euro überhaupt von einem Verkauf sprechen kann. Der „lange Atem“ war jedenfalls nur vorgetäuscht. Radyamar hat seine Anteile an der Flughafen-Muttergesellschaft „3Y Logistic und Projektbetreuung GmbH“ verkauft. In Lübeck bangt man nun wieder um die Existenz des kleinen Regional-Airports – und um die Gewerbegrundstücke, die die Stadt dem Investor günstig überlassen hat. Thorsten Fürter, Fraktionschef der Grünen in der Bürgerschaft, sagt: „Ich sehe die Gefahr, dass Herr Radyamar die Grundstücke behält und sich des Flugbetriebs entledigt. Das wäre verheerend für Lübeck.“

Mohamad Radyamar war gestern nicht zu erreichen. In der Zentrale der Firma 3Y in Frankfurt waren die Telefone offenbar abgeschaltet. In Lübeck hielt sich das Gerücht, Radyamar sei „abgetaucht“. Jana Bahrenhop, die Sprecherin des Flughafens, erklärte lediglich, Radyamar sei weiterhin Geschäftsführer der Yasmina GmbH, die den Flughafen Blankensee betreibt. Zugleich sagte sie, man prüfe derzeit noch, welche Auswirkungen der Anteilsverkauf habe.

Der Lübecker Airport gehört jedenfalls nicht zum Kerngeschäft der Firma 3Y, hinter der Investoren aus Saudi-Arabien stehen. Sie verdient ihr Geld im Wesentlichen mit der Demontage von Fertigungsanlagen, die dann zum Beispiel in Ägypten oder im arabischen Raum wieder aufgebaut werden. Derzeit baut 3Y das Maschinenhaus des Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich ab.

Die Turbine soll eines Tages in Ägypten wieder Strom produzieren. Das Auftragsvolumen wird auf 40 Millionen Euro geschätzt. Für die Verschiffung der sehr großen Maschinenteile hat 3Y vor etwa einem Jahr extra ein fünf Hektar großes Grundstück im kriselnden Jade-Weser-Port gepachtet. Es war erst die zweite Ansiedlung auf dem Areal, das nach wie vor kaum genutzt wird. 3Y wollte dort bis Herbst 2014 eine Lagerhalle und ein Bürogebäude errichten. Bislang war dort aber keine Bautätigkeit zu beobachten. Unlängst wurden Teile eines Krans angeliefert.

In Lübeck war Radyamar mit allerlei Versprechungen gestartet. „Er hat ein sehr interessantes Konzept für den Flughafen und stellt darüber hinaus weitere Arbeitsplätze im Industriebereich und in der Hotellerie in Aussicht“, hatte Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe damals gesagt. Der Investor wollte den Flughafen ausbauen, neue Fluglinien nach Blankensee holen, ein Kongresshotel bauen und Kleinflugzeuge produzieren.

Nichts davon ist eingetreten. Rund 370.000 Fluggäste wurden 2013 in Blankensee abgefertigt. Nur zwei Billigflieger, die polnische WizzAir und Ryan Air, nutzen den Airport. Gestern gab es drei Landungen und drei Starts in Lübeck, der letzte hatte um 21.45 Uhr das Ziel Kiew. Nach Zukunft klingt das nicht. Eher nach Vergangenheit. Und die war für die Stadt Lübeck alles andere als erfreulich. Über Jahre hinweg musste die Stadt Geld in den Flughafen pumpen. Zuletzt lag das Defizit bei sechs Millionen Euro. Ein Verkauf schien für die hoch verschuldete Stadt die beste Lösung zu sein. Um diesen Verkauf auch zustande zu bringen, ließ sich Lübeck auf allerlei Nebenvereinbarungen mit Radyamar ein. Die zum Flughafen gehörenden Straßen und Parkplätze wurden ihm geschenkt, ebenfalls 130 Hektar Ausgleichsflächen. Außerdem erwarb der Investor elf Hektar im angrenzenden Gewerbepark Blankensee. Der geheime Kaufvertrag soll außerdem eine Reihe von Rücktrittsklauseln enthalten, die es den neuen Chefs von 3Y ermöglichen könnten, den Flughafen wieder an die Stadt Lübeck zurückzugeben.

Vom Bürgermeister Bernd Saxe war am Dienstag keine Stellungnahme zu der neuen Situation am Flughafen zu bekommen. „Wir sammeln Informationen“, sagte Marc Langentepe, der Pressesprecher der Stadt. Andreas Zander, der Fraktionschef der CDU, hat das versucht. Ergebnis: „Die neue Geschäftsführung von 3Y ist nicht zu erreichen.“ Bei einem seit Längerem geplanten Treffen der Fraktionsvorsitzenden an diesem Mittwoch erwarte er vom Bürgermeister Details zu dem Eigentümerwechsel.

Der Flughafen im Ortsteil Blankensee ist fast 100 Jahre alt. Die Radyamar-Episode passt zur Geschichte des Airports, die von einem beständigen Auf und Ab gekennzeichnet ist. 1917 wurde er in Betrieb genommen, kurz darauf aber – mit Ende des Ersten Weltkriegs – schon wieder geschlossen. Nach 1933 wurde Blankensee zu einem Fliegerhorst der Luftwaffe. Nach 1945 wurde der Flughafen jahrzehntelang zur Zieldarstellung genutzt – also von Flugzeugen, mit denen die Bundeswehr ihre Luftabwehr trainieren konnte.