Verdacht auf Verstöße gegen das Tierschutzgesetz. Der Betrieb in Bad Bramstedt weist Anschuldigungen zurück. 250 Polizisten sind im Einsatz.

Bad Bramstedt. Punkt 11 Uhr hatte das Töten ein Ende. 250 Polizisten, Zollbeamte und Staatsanwälte haben am Dienstag den Schlachthof der Firma Vion in Bad Bramstedt durchsucht und den Betrieb gestoppt. Dort, wo täglich bis zu 500 Rinder geschlachtet werden, suchten die Ermittler nach Beweismitteln. Der schreckliche Verdacht: Viele Tiere wurden nicht fachgerecht getötet. Offenbar wurden mehrfach die Bolzenschussgeräte falsch am Kopf angesetzt, sodass die Tiere nicht sofort tot waren, sondern nur schwere Verletzungen erlitten. Außerdem vermutet die Staatsanwaltschaft, dass Vion in Bad Bramstedt gegen das Lebensmittelgesetz verstoßen hat.

Die Ermittler rückten mit 30 Fahrzeugen an und riegelten das Gelände ab. Polizisten sicherten mit Hunden die Ein- und Ausgänge des von einem Metallzaun umgebenen Betriebs. Bis zum Nachmittag dauerten die Durchsuchungen in den Büros und Schlachträumen, auch Sachverständige und Spezialisten des Landwirtschaftsministeriums waren beteiligt. „Es wurde die gesamte Anlage durchsucht“, sagte Birgit Heß, Sprecherin der Staatsanwaltschaft. „Wir haben zahlreiche schriftliche Unterlagen beschlagnahmt.“

Die Hinweise waren aus dem Kieler Landwirtschaftsministerium gekommen, das die Staatsanwaltschaft über die Missstände informierte. Das Amtsgericht Kiel hatte die Durchsuchungen angeordnet. „Es liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass es in den Firmenräumen zu Verstößen gegen das Tierschutzgesetz im Zusammenhang mit Schlachtungen gekommen ist“, teilte die Staatsanwaltschaft mit. „Darüber hinaus besteht der Verdacht, dass sich die Räume in hygienisch bedenklichem Zustand befunden haben oder befinden.“

Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte nach der Razzia, grundsätzlich gelte, „wir töten Tiere, um sie zu essen. Aber wir dürfen sie nicht über Gebühr quälen oder ihnen Leiden zufügen. Tierschutzvorschriften müssen penibel eingehalten werden.“ Das Ministerium beschloss noch gestern, den Betrieb bis auf Weiteres zu sperren – wegen „erheblicher hygienischer Mängel“.

Auch der Zoll war im Einsatz und suchte nach Hinweisen auf Schwarzarbeit. Die Kontrolleure überprüften die 330 Mitarbeiter. Seit Jahren beklagen Gewerkschafter, dass bis zu 200 Scheinselbstständige aus Rumänien bei Vion in Bad Bramstedt arbeiten. Ihre Stundenlöhne sollen nur halb so hoch sein wie die der deutschen Kollegen, die um ihren Job bangen.

Vion ist ein international operierendes Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden und erzielt mit seinen 13.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 6,5 Milliarden Euro. Mit Durchsuchungen haben die Fleischhändler bereits Erfahrungen: Vor zwei Jahren ging die Staatsanwaltschaft in einem Vion-Zerlegebetrieb in Hilden (Nordrhein-Westfalen) Hinweisen nach falsch deklariertem Fleisch nach. Die Ermittler warfen dem Unternehmen vor, Fleisch aus dem europäischen Ausland umetikettiert und als deutsches Produkt verkauft zu haben, um den Preis nach oben zu treiben. Vion wies die Vorwürfe zurück und beschuldigte ehemalige Subunternehmer, das Ermittlungsverfahren in Gang gesetzt zu haben.

Die Amtsveterinäre der Segeberger Kreisverwaltung sind regelmäßig im Schlachthof im Einsatz. Wenn es zu Tierquälereien beim Schlachten gekommen sein sollte, dürften ihnen das nicht verborgen geblieben sein. Über die Kosten dieser Kontrollen streiten sich der Kreis Segeberg und Vion seit Jahren; dabei geht es um Millionen. Vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig wehrt sich Vion dagegen, die Gebühren für die Überwachung zahlen zu müssen. Bislang habe das Gericht in dem komplizierten Verfahren kein Urteil gesprochen, teilte die Kreisverwaltung mit.

Vion wehrte sich gegen die Anschuldigungen: Der Vorwurf von angeblichen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz und das Lebensmittelgesetz sei nicht nachvollziehbar. Die Geschäftsführung von Vion Food Deutschland habe der Staatsanwaltschaft Kiel die volle Unterstützung bei ihren Ermittlungen zugesagt. Alle Betriebsabläufe seien dokumentiert und transparent, hieß es weiter. „Die Unterlagen und elektronischen Erfassungen wurden den Behörden vom Unternehmen zur Verfügung gestellt.“