Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer will ein Staatsunternehmen gründen und facht mit seinem neuen Vorschlag eine Debatte an.

Glückstadt. 6,5 Kilometer lang soll er werden, für Hamburg ist er die einzige Hoffnung auf Verkehrsentlastung: der Elbtunnel bei Glückstadt. Er würde dafür sorgen, dass es neben dem hoch frequentierten Hamburger Elbtunnel (A7) und den Elbbrücken (A1) eine weitere Möglichkeit gäbe, den Fluss zu passieren. Doch abgesehen davon, dass die A20 noch längst nicht bis Glückstadt weitergebaut ist, fehlt es auch immer noch an einer Finanzierung des Tunnels. Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) facht jetzt mit einem neuen Vorschlag die Debatte an.

Er will eine staatliche Infrastrukturgesellschaft nach dem Vorbild von Dänemark schaffen. „Wir in Schleswig-Holstein möchten der Treiber für diese alternativen Finanzierungsmodelle sein, weil wir bei der Infrastruktur schneller vorankommen möchten“, betont der Minister – und spricht von einem Modellprojekt für Deutschland.

Was er vorschlägt, gleicht einer Revolution im Straßenbau. Autobahntunnel oder -brücken wurden bislang komplett aus Steuermitteln bezahlt oder im Rahmen von ÖPP-Projekten aus Mauteinnahmen, die um Steuermittel ergänzt werden können. Bei diesen erst wenigen ÖPP-Projekten (Öffentlich-Private Partnerschaft) arbeiten Staat und privater Investor zusammen. Der Unternehmer baut und betreibt den Tunnel für 30 Jahre. Er bekommt dafür die Einnahmen aus der Tunnelmaut und eventuell einen staatlichen Zuschuss. Beispiel: der (sehr kurze) Herrentunnel unter der Trave in Lübeck. Die Pkw-Maut beträgt 1,50 Euro.

Die Dänen machen es anders, schon seit mehr als 20 Jahren. Der dänische Staat gründet für seine großen Verkehrsprojekte Aktiengesellschaften, die zu 100 Prozent in Staatsbesitz bleiben. Beim Bau des Fehmarnbelttunnels ist es das Staatsunternehmen Femern AS. Es finanziert sich nicht aus Steuermitteln, sondern mit Krediten. Die sind, weil Dänemark als Garantiegeber dahintersteht, für sehr niedrige Zinsen zu bekommen. Bedient werden die Kredite mit den Einnahmen aus der Maut. Mit anderen Worten: Der Tunnel wird ausschließlich von seinen Benutzern bezahlt und von niemandem sonst.

„Außerdem müsste eine staatliche Gesellschaft nicht unbedingt die Eigenkapitalrendite einer privaten Gesellschaft erwirtschaften“, erläutert Stefan Nitschmann, der Pressesprecher im Kieler Verkehrsministerium. „Diese Umstände könnten zu reduzierten Nutzerentgelten führen, was die Wirtschaftlichkeit eines solchen Projektes verbessert.“

Dem neuen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat Reinhard Meyer seine Ideen schon vorgetragen. Dobrindt hat sich jedenfalls nicht ablehnend geäußert. Andere schon. Reimer Böge, der Vorsitzende der CDU Schleswig-Holstein, warnte vor einer „zweiten Elbphilharmonie unter der Elbe“. Eine solche Projektgesellschaft müsse bei null anfangen und habe dann gleich ein „Megaprojekt“ zu verantworten. Die Kosten für den 15 Kilometer langen Autobahnabschnitt inklusive Tunnel werden auf 1,1 Milliarden Euro geschätzt. „Für Kostensteigerungen müsste der Staat in die Pflicht genommen werden“, so Böge. „Dieser hoch riskante Vorschlag ist Blödsinn.“ Der CDU-Vorsitzende sprach sich dafür aus, das Projekt und damit auch das Kostenrisiko auszuschreiben und damit die Möglichkeit einer öffentlich-privaten Finanzierungspartnerschaft nicht auszuschließen. Der Bund hat diese Ausschreibung allerdings noch nicht vorgenommen. Derzeit wird immer noch geprüft, wie ein ÖPP-Projekt zu finanzieren wäre.

Zuletzt hatte auch der französische Straßenbaukonzern Vinci noch einmal Druck gemacht. Er spannte den ehemaligen schleswig-holsteinischen Verkehrsminister Jost de Jager (CDU) ein, um im vergangenen August einen in seinen Grundzügen schon 2009 vorgetragenen Plan zu wiederholen. Vinci bot an, die A20 innerhalb von fünf Jahren bis Bremerhaven fertig zu bauen – inklusive Elbtunnel.

Allerdings sollte der Staat die Hälfte der Kosten tragen und zudem nicht etwa für 30, sondern gleich für 50 Jahre auf große Teile der Lkw-Streckenmaut verzichten. Gleiches galt auch für die Tunnelmaut. Im Ministerium stieß der Konzern damit auf wenig Begeisterung, „Die Argumentation von Vinci war inhaltlich nicht durchgängig nachvollziehbar, rechtlich mit offenen Fragen versehen und sowohl von der Zeitschiene als auch von den Budgetzahlen her eher unrealistisch“, hieß es.