Verkehrsministerium zweifelt Wirtschaftlichkeit und Dringlichkeit an. Regierung kritisiert die aktuellen Kosten von 630 Millionen Euro. Ohne Förderung aus Berlin droht jedoch das Aus.

Ahrensburg/Hamburg. Für die neue Bundesregierung spielt der Bau der S-Bahnlinie 4 zwischen dem Hamburger Hauptbahnhof über Ahrensburg und Bargteheide bis nach Bad Oldesloe offenbar keine große Rolle mehr. In einem Brief des Bundes- an das schleswig-holsteinische Landesverkehrsministerium heißt es, dass die Verpflichtung zum Ausbau der Bahnstrecken für die feste Fehmarnbeltquerung in Lübeck ende. „Der Streckenabschnitt Hamburg–Lübeck (und somit die S4) falle nicht unter diese Verpflichtungen“, schreibt Abteilungsleiter Veit Steinle.

Doch ohne eine Beteiligung des Bundes ist das 637,5-Millionen-Euro-Projekt nicht zu realisieren. Die beiden Länder Hamburg und Schleswig-Holstein wollen jeweils 20 Prozent der Kosten übernehmen. Der Löwenanteil von 60 Prozent soll aus Berlin kommen.

Die Stellungnahme des Bundesverkehrsministeriums zur von Hamburg und Schleswig-Holstein beantragten Aufnahme der S4 in den neuen Bundesverkehrswegeplan (BVWP) macht wenig Hoffnung, dass mit dem Geld zu rechnen ist. Die „Wirtschaftlichkeit und Dringlichkeit des Projekts S 4 Ost (Entflechtung des Schienenverkehrs Hamburg–Lübeck)“ sei im Sinne des Bedarfsplans zu hinterfragen und gegebenenfalls der Projektumfang zu reduzieren.

Nach Ansicht des Bundes ist der noch 2003 als „vordringlich“ eingestufte Bau eines dritten Gleises für den Güter- und Fernverkehr zwischen Hamburg-Wandsbek und Ahrensburg jetzt nicht mehr erforderlich. Das zeige eine Studie aus dem Jahr 2009. Für die Fehmarnbeltquerung, die voraussichtlich 2022 kommen soll, müsse einzig die Strecke von Puttgarden bis nach Lübeck ausgebaut werden. Von dort gebe es Alternativen wie eine Kurve über Bad Kleinen oder die Strecke Lübeck–Büchen–Lüneburg. Das bedeutet aber auch, dass die S4 dem Güter- und Fernverkehr überhaupt nicht nutzen würde – und damit die Finanzierung wohl ausschließlich Ländersache wäre.

Die Bundesregierung kritisiert auch die aktuellen Kosten von 630 Millionen Euro. Ab 550 Millionen sei der sogenannte Kosten-Nutzen-Faktor von 1,0 überschritten, was ein K.o.-Kriterium sei. Die Steigerung hängt auch damit zusammen, dass die S4 zunächst nur bis Ahrensburg-Gartenholz geplant war, nun aber bis Bad Oldesloe fahren soll.

Stormarns Landrat Klaus Plöger wundert sich über die ablehnende Stellungnahme aus Berlin. Für ihn ist Widerstand programmiert. „Jetzt sind die Länder gefordert, für das Projekt zu kämpfen“, sagt er. Lukas Kilian (CDU), Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Kreis Stormarn, ahnt Schlimmes: „Das liest sich so, als ob die S4 nicht komme.“ Endlich zögen Hamburg und Schleswig-Holstein nach jahrelangem Hin und Her an einem Strang und finanzierten die Vorentwurfsplanung. Noch in diesem Monat wollen die Länder 32 Millionen Euro für die Entwurfs- und Genehmigungsplanung freigeben. „Es ist viel zu spät, um zurückzurudern“, sagt Kilian. Beim Bau der S 4 gehe es nicht nur um mehr Platz für die Güter- und Fernstrecke. Die Zahl der Fahrgäste auf der Linie sei in den vergangenen zehn Jahren um 50 Prozent gestiegen, zudem müsse der überfüllte Hauptbahnhof dringend entlastet werden.

Kilian befürchtet, dass die S 4 aus dem BVWP gestrichen werden könne. Da der neue Plan für die Jahre 2015 bis 2030 gilt, wäre die S 4 auf Jahrzehnte zu den Akten gelegt. Dabei betonen sowohl Hamburgs Verkehrssenator Frank Horch (parteilos) als auch Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD), dass das Projekt für beide Länderregierungen „höchste Priorität“ habe. Im Berufsverkehr sollen die S-Bahnen ab 2024 zwischen dem Hauptbahnhof und Ahrensburg alle zehn Minuten fahren. Momentan bringt es die Regionalbahn auf einen 30-Minuten-Takt.

Im Kieler Verkehrsministerium wird der Ball flachgehalten. Der Pressesprecher Harald Haase bezeichnete den Brief aus Berlin als „normales Verwaltungshandeln“. Erst einmal würden die Probleme eines Projekts aufgezeigt, das sei leider so. „Dieses Schreiben hebt hier niemanden aus dem Sessel“, so Haase weiter.

Die Planungen für die S4 werden von den beiden Bundesländern Hamburg und Schleswig-Holstein gemeinsam vorangetrieben. Die Vorentwurfsplanung ist vor wenigen Wochen veröffentlicht worden. Demnach sollen zwei neue Gleise bis Ahrensburg führen. Nächster Schritt ist nun die standardisierte Bewertung. An deren Ende steht eine Zahl, die das Verhältnis zwischen den Kosten und dem Nutzen der S-Bahngleise ausdrückt. Erst diese Zahl wird eine Aussage über die Wirtschaftlichkeit des Projekts erlauben.

Auch Ole Thorben Buschhüter (SPD), der Vorsitzende des Verkehrsausschusses der Hamburger Bürgerschaft, erkennt in dem Schreiben des Bundesverkehrsministeriums das „typische Spiel der Behörden“. „Richtig ist allerdings, die Kosten nicht aus dem Blick zu verlieren“, sagte er. Bislang sei „das Optimum“ geplant worden. Im nächsten Planungsschritt müsse das möglicherweise revidiert werden. Dieser nächste Schritt, die standardisierte Bewertung, sei ohnehin viel detaillierter als die Vorentwurfsplanung. „Sie wird rund 32 Millionen Euro kosten, der Vorentwurf hat nur sechs Millionen Euro gekostet.“

Christopher Vogt (FDP), Buschhüters Amtskollege in Schleswig-Holstein, bleibt gelassen. „Ich glaube nicht, dass das Projekt gefährdet ist“, sagte er, „ein Schreiben eines Abteilungsleiters scheint mir da nicht entscheidend zu sein.“

Die Verkehrsausschüsse aus Hamburg und Schleswig-Holstein werden sich am 28. Januar auf einer gemeinsamen Sitzung mit dem Thema beschäftigen. Und der Kieler Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) will so schnell wie möglich mit dem neuen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) über das Schienenprojekt sprechen. Aus dem Bundesverkehrsministerium war am Donnerstag keine Stellungnahme zu bekommen.