Zwölf Großstädter wollen sich selbst versorgen. Bei ihrem „Permakultur-Anbau“ wird nicht gepflügt oder gedüngt – doch die Erträge sind groß. Dabei ist das Projekt mehr als Selbstversorgung.

Prisdorf. Wenn Frank Wolf eine Gemüsesuppe kochen will, braucht er nicht einzukaufen. Die Zutaten wachsen um ihn herum. Alle. Der 30-Jährige steht in einem Beet, in dem Kartoffeln, Salat, Spinat, Karotten, Kohl und verschiedene Kräuter bunt durcheinanderwachsen. Was nach dem kreativen Chaos eines Hobbygärtners aussieht, hat System, sagt Wolf. Das System heißt Permakultur. Das Ziel ist, möglichst viel zu ernten, wenig CO2 zu produzieren – und möglichst wenig zu arbeiten.

Zusammen mit Freunden beackert Frank Wolf seit zwei Jahren ein Landstück von etwa 3000 Quadratmetern in Prisdorf (zwischen Pinneberg und Tornesch) nach den Prinzipien der Permakultur. Begrifflich ist das eine Mischung aus dem englischen „permanent“ (beständig) und „agriculture“ (Landwirtschaft). Gemeint ist, dass keine Ressourcen verschwendet werden sollen.

Außerdem soll der Mensch als Gärtner sich möglichst überflüssig machen. „Das System soll aus sich selbst heraus stabil sein“, erklärt Frank Wolf. Die Folge: Es wird so gepflanzt, dass wenig Input vom Gärtner notwendig ist. Möglichst unterschiedlich in ihren Bedürfnissen sollen die Pflanzen sein, die nebeneinander stehen, denn: Je größer die Vielfalt, desto besser werden Nährstoffe im Boden genutzt, desto mehr kann geerntet werden.

Den Rest kann man sich von der Natur abschauen. „Wir versuchen, nah an Ökosystemen dranzubleiben, wie sie sich hier sowieso entwickeln würden“, sagt Wolf. Die Permakultur-Gärtner graben deshalb den Erdboden nicht um und pflanzen gerne Gewächse, die von sich aus weniger anfällig gegen Schädlinge sind wie etwa Rhabarber oder Spargel. Das liegt daran, dass sie komplexere Immunsysteme haben als zum Beispiel eine Maispflanze. Pestizide sind so gar nicht notwendig. Der Ertrag soll sich trotzdem mit dem der konventionellen Landwirtschaft messen können. „Der ist sogar höher, da stehen wir gut da“, sagt Wolf.

Wer Permakultur betreiben will, kann aber nicht einfach alle Obst- und Gemüsesorten, die ihm einfallen, kunterbunt durcheinander in ein Beet säen. Frank Wolf und seine Freunde folgen vielmehr einem komplexen Plan. „Wir haben auf engem Raum mehrere Ebenen von Pflanzen direkt nebeneinander“, erklärt Wolf. Ganz unten wächst das Wurzelgemüse wie etwa Karotten, darüber Bärlauch und Gundermann (eine bitter schmeckende Heil- und Würzpflanze), dann kommen Kohl und Salat. Auf der Staudenebene kann Rhabarber angebaut werden, dazu kommen dann „essbare Hecken“ wie Himbeer- und Stachelbeersträucher, Ranken wie Hopfen und als größte Spezies Obstbäume. Die wild durcheinanderwachsenden Pflanzen ordnen sich mit dieser Erklärung zu einem mehrschichtigen Garten. Dabei scheint viel nach dem Prinzip ‚Eine Hand wäscht die andere‘, zu funktionieren. „Hier zum Beispiel“, Wolf deutet auf lila Blütendolden, die neben Apfelbäumen wachsen. „Lupine fixieren Stickstoff im Boden. Für die Obstbäume ist das eine wachstumsfördernde Substanz.“ Kräuter zwischen den Baumstämmen lenken störende Insekten ab, indem sie irritierende ätherische Öle in die Luft abgeben. „Das ist wie ein kleines System, mit dem man dem Baum hilft“, erklärt Wolf. Der gelernte Chemiker weiß viel über die Zusammenhänge in der Natur und kann jeder noch so kleinen Pflanze, ja jedem Regentropfen einen Platz zuweisen in diesem System, in dem alles durch Ursache und Wirkung verbunden zu sein scheint. Umso größer ist seine Verachtung für die konventionelle Landwirtschaft.

„Der Boden da draußen ist biologisch tot“, sagt er und zeigt auf das Maisfeld auf der anderen Seite des Zauns. In sorgfältig gezogenen Reihen steht dort eine Maispflanze neben der anderen – Monokultur eben. Wird auf einem Feld nur eine Kulturpflanze gepflanzt, verbreiten Schädlinge sich sofort, sagt er. „Die Pflanzen dort haben ein schlechtes Abwehrsystem und werden gespritzt, der Boden wird gedüngt und umgegraben. Die Mikroorganismen im Boden vertragen das aber nicht.“ Die Folge: Das CO2 werde nicht mehr gebunden, sondern in die Luft abgegeben. „Das ist die CO2-Quelle Landwirtschaft“, sagt er.

Neben Beeten für verschiedenste Arten von Gemüse gibt es auf dem Gelände bei Prisdorf eine Wiese mit Apfelbäumen, ein Kräuterbeet, ein Gewächshaus, eine Blockhütte und einen Wohnwagen sowie einen Bereich mit Spielzeug und Sitzecke. Vögel und Insekten flattern unbehelligt herum, und es gibt drei Bienenkörbe. „Überall in der Natur gibt es auch Tiere“, erklärt Frank Wolf. So soll es auch auf dem Grundstück sein. Nahe dem Eingangstor stehen Hasenställe, zwei Schafe sollen bald angeschafft werden.

„Es geht darum, das Ökosystem so umzustellen, dass dabei ein möglichst großer Ertrag für den Menschen rauskommt.“ Für Frank Wolf und seine elf Mitstreiter ist das die Zukunft. „Wir sehen unser Land als Experimentierfeld“, sagt er. Kennengelernt haben sie sich über das Hamburger „Transition Town“-Netzwerk, dessen Mitglieder sich damit beschäftigen, wie man in der Großstadt mit Ressourcenknappheit und Klimawandel umgehen kann. Die Hintergründe der Gärtner sind unterschiedlich.

„Wir sind zum Teil studiert, zum Teil nicht“, sagt Wolf. Er selbst arbeitet als IT-Projektmanager, mit dabei sind auch eine Lehrerin und ein Stahlkocher. Einige aus dem Freundeskreis bringen ihre kleinen Kinder mit in den Garten. Hauptbeschäftigung ist das Pflanzen für sie alle nicht, ihr Fernziel ist aber, die komplette Ernährung aus dem Garten bestreiten zu können und eigenes Saatgut zu produzieren.

Aber das Projekt ist mehr als Selbstversorgung. „Man kriegt eine Rückbindung zur Natur,“ so Wolf. „Und es ist ein schöner Gedanke, einen Teil der eigenen Versorgung selbst zu produzieren. Man weiß immer, was man wie angebaut hat. Das ist dann super-bio.“