Wenn Pendler nicht zum Zug kommen: Eine zu kurze Haltestelle sorgt in der Stadt Tornesch für Ärger. Und für Verwirrung in Kiel. Torneschs Bürgermeister Roland Krügel ist perplex.

Tornesch/Hamburg/Kiel. Zu kurz gedacht: Wenn ein 290 Meter langer Zug am 220 Meter langen Bahnsteig in Tornesch anhält, stehen zwei Waggons im Freien. Ein Ein- und Ausstieg aus diesen Waggons ist weder möglich, noch erlaubt. Wer also in der Stadt Tornesch aus dem Zug aussteigen will, muss vorher in einen anderen Waggon im selben Zug umsteigen. Es ist ein absurdes Szenario, das Bahnpendlern im Landkreis Pinneberg drohen könnte und für Kopfschütteln in der Stadt vor den Toren Hamburgs sorgt.

Torneschs Bürgermeister Roland Krügel, CDU, ist perplex. Ein Schildbürgerstreich sei das, was die Stadt erlebe. "Wo gibt es das schon, zwei unterschiedlich lange Bahnsteige? Das ist doch alles Quatsch, was da von Land und Bahn geplant wurde", sagt Krügel. Seit Monaten liegt Krügel mit dem Verkehrsministerium in Kiel und der Landesweiten Verkehrsservicegesellschaft LVS im Clinch. Dem Kreis Pinneberg mit seinen mehr als 300.000 Einwohnern droht von Dezember 2014 an zu großen Teilen von schnellen Zugverbindungen nach Hamburg und Kiel abgehängt zu werden. Die Deutsche Bahn und die LVS wollen die Zugfahrten auf der Strecke zwischen Hamburg und Kiel beziehungsweise Flensburg zulasten des Kreises Pinneberg verdoppeln.

Weniger Züge bei gleichzeitig steigender Nachfrage, das passe, so Krügel, nicht zusammen. Die Stadt Tornesch befürchtet zudem wegen des 2015 geplanten Tunnelbaus an der Autobahn 7 ein Verkehrschaos. "Der Ausbau der A 7 in Hamburg wird nicht nur Tornesch und seine 3000 Pendler direkt treffen. Wir erwarten kilometerlange Rückstaus auf der A 23 vor Hamburg", sagt Krügel. Ein Umstieg auf die Bahn sei für Autofahrer keine Lösung. Sie ist ausgelastet. Größere, längere Züge werden benötigt.

Nun will die Nordbahn längere Züge anschaffen, damit die Verkehrslage beruhigt wird. Ein Drittel mehr Platz soll es geben. Doch die neuen Flirt-Triebwagen sind aneinandergekoppelt etwa 290 Meter lang - und damit zu lang für einen der Tornescher Bahnsteige. In Tornesch hat die LVS den Politikern daher eine Lösung präsentiert, die kurios scheint: Der Zugführer soll dafür sorgen, dass die Fahrgäste der letzten beiden Waggons an der Haltestelle vor Tornesch oder bereits in Hamburg aussteigen und notfalls in die vorderen Waggons in Richtung Elmshorn umsteigen. Dann soll der Zugführer die beiden Waggons abschließen, Tornesch ansteuern und an der nächsten Haltestation nach Tornesch die Türen wieder für Fahrgäste aufschließen. Krügel findet das absurd. "Das klingt nach einem schlechten Treppenwitz", sagt auch Torneschs Grünen-Politiker Helmut Rahn. "Dieser Plan ist den Fahrgästen nicht zuzumuten und wegen der engen Zugtaktungen zeitlich auch gar nicht umsetzbar." Denn während der Zugführer auf dem Bahnsteig entlanglaufe, drängele von hinten bereits der nächste Zug.

LVS-Sprecher Dennis Fiedel geht davon aus, dass es sich nur um ein Missverständnis handeln kann. "Mir sind solche Pläne nicht bekannt", sagt er. "In Richtung Hamburg sind morgens Züge der Nordbahn mit bis zu 300 Meter Länge geplant. Damit diese auch in Prisdorf und Tornesch halten können, werden die dortigen Bahnsteige auf 300 Meter verlängert", so der LVS-Sprecher. Der nachmittägliche Berufsverkehr verteile sich über einen längeren Zeitraum als morgens, weswegen extreme Verkehrsspitzen nicht auftreten würden. "Daher fahren stadtauswärts kürzere Züge. In Prisdorf und Tornesch reichen dann 220 Meter lange Bahnsteige", sagt Fiedel. Waggons im Freien und wilde Ein- und Ausstiegsorgien werde es nicht geben. "Wenn etwas Gegenteiliges im Ausschuss gesagt wurde, ist das nicht richtig", sagt er. Der 220-Meter-Bahnsteig würde ausreichen. Auch langfristig.

Das sieht die Tornescher Stadtverwaltung anders. "Unsere Stadt ist sehr schnell gewachsen, die Pendlerströme haben rapide zugenommen. Der Bedarf an Zügen wird weiter steigen", sagt Krügel. Daher sei es sinnvoll, beide Bahnsteige auf 300 Meter auszubauen. Züge wie der Sylt-Shuttle könnten andernfalls in Tornesch nur in einer Richtung halten, und somit nie als Entlastungszüge eingesetzt werden. "Das ist vollkommen widersinnig und kurzsichtig geplant", sagt Krügel. Die Planer in Kiel hätten keine Ahnung von der Lage im Kreis Pinneberg.

Tornesch wäre aber nicht die einzige Kommune, die mit einem ungleichen Bahnsteigpaar zu leben lernen müsste. Die Problematik zu kurzer Bahnsteige gibt es auch in Hamburg. Bei der Hochbahn auf der Ringlinie U 3: "Die Bahnsteige beispielsweise in den Haltestellen Rathaus und Mönckebergstraße sind nur 90 Meter lang, das heißt ein Vollzug mit 120 Meter Länge kann hier nicht halten", sagte Sprecher Christoph Kreienbaum. Aber ein Umbau der Haltestellen sei zu aufwendig und zu teuer, so Kreienbaum weiter. Auch an den Bushaltebuchten gibt es teilweise Probleme mit der Länge: "Wenn die Haltebuchten nicht lang genug sind, können wir keine bis zu 18 Meter langen Gelenkbusse einsetzen, sondern eben nur zwölf Meter lange Busse."

Auf der Buslinie 27, die zwischen Billstedt und Wellingsbüttel verkehrt, wird zurzeit laut Kreienbaum geprüft, die Bushaltebuchten entsprechend umzubauen: "Dann könnten auch längere Busse eingesetzt und damit auch die Fahrgastkapazität erhöht werden", sagt Kreienbaum Die Bahnsteige der S-Bahn Hamburg sind im Durchschnitt rund 200 Meter lang: "Es können Züge mit bis zu neun Wagen dort halten. Diese setzen wir zum Beispiel auf der stark frequentierten Linie 3 zwischen Pinneberg und Stade ein", so eine Sprecherin.