Tourismusexperte Benjamin Roolfs fordert ein Umdenken in den Orten rund um die Heide. Für neue Zielgruppen sei die Region unattraktiv.

Hanstedt. Die Zukunft der Heide liegt bei den "Kritischen" und den "Anspruchsvollen". Nur wenn es den Tourismusmanagern in der Lüneburger Heide gelingt, diese Zielgruppen anzusprechen, hat der Tourismus in dem Naturschutzpark dauerhaft eine Chance. Denn, so Benjamin Roolfs, in 15 bis 20 Jahren gibt es die klassischen Heide-Urlauber, die "Bodenständigen" nicht mehr. "Das ist die Nachkriegsgeneration, die noch andere Ansprüche an eine Ferienregion, eine Unterkunft, ein Hotel und ein Restaurant im Urlaubsort haben. Aber diese Menschen, auf die das Angebot hier im Landkreis Harburg noch zugeschnitten ist, werden bald zu alt sein, um verreisen zu können", sagt der Leiter der Hanstedter Geschäftsstelle der Lüneburger Heide GmbH, des zentralen Vermarkters für die Region. Laut Roolfs sind mehr als 70 Prozent der aktuellen Heideurlauber Rentner und Pensionäre.

Alle, die in der Heide im Landkreis Harburg vom Tourismus leben, müssen also umdenken. Das Marktforschungsunternehmen GfK hat Studien zu den unterschiedlichen Lebensstilen erarbeitet. "Dabei haben sich", so Roolfs, "acht Lebensstile herauskristallisiert. Das sind Daten, von denen wir Touristiker profitieren können." Zwei Lebensstile, die "Kritischen" und die "Anspruchsvollen" seien für die Heide interessant. Das sind zumeist Menschen mit guter Bildung, gutem Einkommen, Menschen, die sich Gedanken über Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Erhalt der Natur für spätere Generationen machen. Auf diese Urlauber, die bereit sind, mehr Geld für eine Übernachtung im Biohotel auszugeben, für die die klassische Kutschtour nach Wilsede mit anschließendem Schnitzel im verstaubten Landgasthof mit dem obligaten röhrenden Hirsch in Öl an der Wand eben nicht das Nonplusultra im Urlaub sind, müsse sich der Tourismusbetrieb in der Heide zukünftig einstellen, sagt Benjamin Roolfs.

Noch vor 30 oder 40 Jahren mussten sich Hoteliers, Übernachtungsbetriebe oder Restaurants, in der Heide zumeist kleinere Familienbetriebe, keine Sorgen um die Einnahmequelle Tourismus machen. Aber, und das weiß auch Roolfs, viele Betriebe hätten es über Jahrzehnte versäumt, ihren Standard der Nachfrage anzupassen. "Das ist das Spiel, zuerst kommen die Investitionen und dann die Gäste. Andererseits kann ich gerade kleinere Betriebe natürlich verstehen, da ist oft nicht das nötige Geld da, um richtig zu sanieren", so Roolfs. Mit Gelsenkirchener Barock lassen sich weder die "Kritischen" noch die "Anspruchsvollen" nach Undeloh locken. Undeloh und andere Heideorte müssten dringend wieder marktgerechter werden. Ruhetage oder Mittagspausen passen da nicht ins moderne Bild.

Ganze Orte müssten sich umstellen, sagt der Tourismusexperte. Orte und Gemeinden müssten zusammen neue Konzepte aufstellen, um die rückläufigen Übernachtungszahlen zu stoppen und neue Zielgruppen in die Heide zu holen, das gelte nicht nur für Undeloh. Hier hat Roolfs zwei Jahre gelebt, hat hautnah miterlebt, woran es hapert. Zu den Problemen gehören mancherorts überhöhte Getränkepreise. Nachdem in dem Heideort bereits das Hermann-Löns-Café geschlossen wurde, steht jetzt die Waldschänke zum Verkauf, beides Traditionshäuser, die die Saison nicht mehr erleben werden. Und die ist in der Heide besonders kurz. "Das Ostergeschäft war so schlecht wie noch nie, und ich glaube nicht, dass wir es im Landkreis schaffen, die Verluste in der Hauptsaison der Heide aufzuholen."

Klassische Saisonmonate sind in der Lüneburger Heide Mai und Juni. Erst Ende August, Anfang September kommen dann wieder Gäste zur Blüte. Von November bis vor Ostern, abgesehen von Silvester, steht es schlecht um den Heidetourismus. Auch vor diesem Hintergrund, sagt Roolfs, sei es verständlich, wenn Inhaber von Übernachtungsbetrieben oder Gastronomen mit Investitionen zurückhaltend bleiben.

"Wir müssen uns ernsthaft Gedanken darüber machen, wie es uns gelingt, die Saison in der Lüneburger Heide zu verlängern. Wandern liegt enorm im Trend, und wandern kann ich das ganze Jahr, dazu brauche ich keine Heideblüte Ende August", sagt Benjamin Roolfs. Ein Anfang sei mit dem "Heidschnuckenweg" gemacht. Der gehört zu den 16 "Top Trails of Germany". Damit lasse sich auch bei künftigen Zielgruppen punkten. Allerdings fehle es bislang noch an einem "Eventmanagement" für den Wanderweg. Denn der Weg alleine locke noch keinen Touristen, biete aber ein großartiges Potenzial.

Der Trend gehe weg von dem einen großen Urlaub im Jahr hin zu mehreren Kurzurlauben. Die Zeiten, in denen die Familie in die Lüneburger Heide reiste, um dort zwei Wochen Ferien zu machen, seien vorbei. Der Gast der Zukunft kommt für zwei Tage in die Heide, möchte Natur mit Kultur verbinden, möchte einen Tag mit dem Fahrrad unterwegs sein, am nächsten Tag durch die Heide wandern. Und abends, nach einem anspruchsvollen Abendessen aus der Bioküche mit regionalen Köstlichkeiten, wollen der "Anspruchsvolle" und der "Kritische" vielleicht noch ein Konzert hören oder nach Hamburg ins Theater gehen. So, sagt Benjamin Roolfs, sehe das Urlaubpaket für diese Zielgruppe aus.