Endlagersuche beginnt neu. Nun könnte radioaktiver Abfall an die Elbe gebracht werden

Berlin/Kiel/Hannover. Die Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Müll in Deutschland beginnt 36 Jahre nach der Festlegung auf den Standort Gorleben (Landkreis Lüchow-Dannenberg) von vorn. Unter Federführung von Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) handelten Bund und Länder mit Beteiligung von CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP am Dienstag einen Kompromiss aus. Er sieht unter anderem vor, dass Gorleben als ein möglicher Endlagerstandort neben anderen weiter infrage kommt. Altmaier kündigte zugleich aber den Stopp weiterer Atommülltransporte nach Gorleben an.

Deshalb rückt jetzt das stillgelegte Atomkraftwerk Brunsbüttel an der Unterelbe in den Blickpunkt: Ins dortige Zwischenlager könnten 21 Castorbehälter mit stark strahlendem Atommüll gebracht werden, der sich derzeit noch in England befindet. Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) stimmt die Basis seiner Partei bereits auf solche Transporte ein. In einem internen Schreiben an die Grünen-Mitglieder, das dem Abendblatt vorliegt, betont Habeck die Vorzüge des Standorts Brunsbüttel. Dort müssen die Castorbehälter mit dem Atommüll nach einem Schiffstransport nur über eine kaum zwei Kilometer lange Straßenstrecke in das bis 2040 genehmigte Zwischenlager auf dem Gelände des stillgelegten Atomkraftwerks transportiert werden. Die bisherigen Castortransporte auf Schiene und Straße quer durch Deutschland nach Gorleben mussten jeweils von Tausenden Polizisten geschützt werden.

Habeck forderte am Dienstag zugleich "einen fairen Lastenausgleich", und damit indirekt, dass der radioaktiv strahlende Müll auch an anderen Standorten zwischengelagert wird, bis ein Endlager bereitsteht. Nach dem Neubeginn der Standortsuche dürfte das nicht vor 2040 der Fall sein.

Zur Rücknahme des Atommülls aus England und weiterer fünf Castorbehälter aus Frankreich ist Deutschland völkerrechtlich verpflichtet. Für die Lieferung aus Frankreich zeichnet sich die Zwischenlagerung an einem Atomkraftwerk in Süddeutschland ab. Die Landesregierung von Baden-Württemberg hat bereits ihre Bereitschaft dazu signalisiert.

Der Stopp der Transporte nach Gorleben und die Einsetzung einer Enquetekommission, die die Endlagersuche vorantreiben soll, waren die Voraussetzungen für die Zustimmung von Niedersachsens rot-grüner Landesregierung zu einer neuen Standortsuche unter Einschluss des Salzstocks im Wendland. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) betonte nach dem Spitzentreffen in Berlin, Niedersachsen trage mit dem maroden Endlager Asse und dem im Bau befindlichen Endlager Schacht Konrad für schwach- und mittelaktive Abfälle bislang fast allein die Last der Atommüllentsorgung.

Der Bundestag soll noch vor der Sommerpause das Gesetz zur neuen Endlagersuche verabschieden. Vorgesehen ist, dass eine Endlagerung außer in Salzstöcken auch in Ton- und Granitgesteinsschichten geprüft wird. Für diese vergleichende Suche veranschlagt Altmaier Kosten in Höhe von mindestens zwei Milliarden Euro. Zur Kasse gebeten werden sollen dafür die Atomstromkonzerne. Nach dem neuen Zeitplan werden Bundestag und Bundesrat 2031 entscheiden, wo in Deutschland ein Endlager entsteht.