Es mutet absurd an, was der Familie Pries widerfahren ist. “Zuckerarmer Kindergarten“ verbot das Essen. Auf Beschwerde folgte Kündigung.

Delingsdorf. Ein Rausschmiss in der Kita, heftige gegenseitige Anschuldigungen, lautstarker Streit mit dem Bürgermeister, eine Beschwerde bei der Kommunalaufsicht - und das alles wegen eines Butterkekses. Es mutet absurd an, was Familie Pries aus der 2200-Einwohner-Gemeinde Delingsdorf im Kreis Stormarn in den vergangenen Wochen widerfahren ist. Doch der vierjährige Sohn Thore darf die Kita "Lütten Huus" nicht länger besuchen: Seine Eltern hatten ihm das falsche Essen in die Brotdose gepackt.

Delingsdorf, eine kleine Gemeinde zwischen Ahrensburg und Bargteheide, wächst seit vielen Jahren. Viele Familien sind hierhergezogen, denn Hamburg ist nah und das Bauland viel billiger als in der Stadt. Deswegen hat die Gemeinde im Dorfzentrum, gleich am Löschteich, die Kita gebaut, in der vier Gruppen betreut werden. Gegenüber, in der alten Kneipe, ist seit ein paar Jahren ein griechisches Restaurant.

Kilian, der ältere Sohn, hat seit Montag Osterferien. Seinem jüngeren Bruder haben seine Eltern gesagt, dass er deshalb auch zu Hause bleiben könne. "Wir wussten nicht, wie wir ihm sonst erklären sollten, dass er nicht mehr in den Kindergarten gehen darf", sagt Thores Vater Christian Pries. Denn den Vertrag mit den Eltern des Vierjährigen hat die Gemeinde zum 25. März "aus wichtigem Grund" gekündigt. Das Schreiben liegt dem Abendblatt vor.

Der "wichtige Grund", das war ein "gestörtes Vertrauensverhältnis" - wegen der Butterkekse. "Wir hatten verschlafen und haben Thore deshalb kein Brot eingepackt, sondern die Kekse", sagt Karola Pries. Doch im "Lütten Huus" herrschen strenge Regeln: Gesundes Essen ist das oberste Gebot. So lagen die Butterkekse noch immer in der Brotdose, als Karola Pries ihren Sohn mittags abholte. Zudem fand sie eine Notiz: "Bitte denken Sie daran, dass wir ein zuckerarmer Kindergarten sind."

"Inakzeptabel" findet es Thores Vater, dass seinem Kind die "Nahrung entzogen" worden sei. "Mein Sohn kann schließlich nichts dafür. Die Kitaleitung hätte Rücksprache mit uns halten müssen." Darüber beschwerten sich die Eltern schriftlich bei Kindergarten, Bürgermeister und Amtsverwaltung.

Pries betont, dass es nicht in erster Linie um die Butterkekse ginge. "Das war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat", sagt er. Einmal sei Thore beim unbeaufsichtigten Spielen gestürzt und habe sich die Oberlippe aufgerissen. "Die Leitung sagte am Telefon, die Verletzung sei nicht so schlimm. Als wir später beim Arzt waren, sagte der, die Lippe hätte sofort genäht werden müssen." Des Weiteren hätten Erzieherinnen die Kinder mehrfach bei Kälte ohne Handschuhe und Schal nach draußen geschickt.

Auch Thores Großvater erhebt Vorwürfe: "Die Kinder werden unbeaufsichtigt in den Umkleideflur gesetzt, um bestraft zu werden", sagt Manfred Pries. Das sei grausam und habe in Thores Fall dafür gesorgt, dass dieser plötzlich wieder eingenässt habe. Trotz all dieser Vorfälle "versteife" sich Bürgermeister Randolf Knudsen nun auf die Butterkekse und versuche, die Situation ins Lächerliche zu ziehen, sagt Christian Pries.

Auf seine schriftliche Beschwerde hin erhielt Pries eine Antwort der Kitaleiterin mit dem Hinweis, es sei ein "fragwürdiges Unternehmen", dass er von einer Institution ultimativ einfordere, "Standards aus dem privaten Umfeld zu übernehmen". "Wenn Sie uns auffordern, alle mitgebrachten Speisen, so auch Kekse und Waffeln, Ihrem Kind ohne Widerspruch zuzugestehen, so könnten andere Eltern beispielsweise in der Schule einfordern, dass ihre Kinder mit eingeschaltetem Handy im Unterricht sitzen sollen", heißt es weiter.

Dieser Vergleich sei weit hergeholt, sagt Thores Vater, dem im Anschluss von der Amtsverwaltung schriftlich mitgeteilt wurde, sein Anliegen werde nun im Jugend-, Sport- und Kulturausschuss behandelt. "Als wir dort auftauchten, schloss uns der Bürgermeister plötzlich von der Sitzung aus - noch vor der Einwohnerfragestunde", sagt Pries. Weil dieses Vorgehen gegen die Gemeindeordnung verstößt, nach der nur der Ausschussvorsitzende die Öffentlichkeit von einer Sitzung ausschließen kann, hat sich Pries mittlerweile bei der Kommunalaufsicht beschwert. Randolf Knudsen, der der "Wählergemeinschaft Delingsdorf" angehört, will zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen. "Die Basis von Respekt und Vertrauen ist nicht mehr gegeben", sagt der Bürgermeister nur. Wodurch genau die Familie das Vertrauen verspielt habe, dazu will er sich nicht öffentlich äußern. Auch ob es einen ähnlichen Fall schon einmal gegeben habe, sagt Knudsen nicht.

Wenige Tage nach einem laut Pries lautstarken Treffen erhielt die Familie die schriftliche Kündigung des Betreuungsplatzes. Darin heißt es, eine "Wiederherstellung eines erträglichen Umgangs miteinander für die Zukunft" sei nicht mehr zu erwarten. Doch einen neuen Platz hat Familie Pries bisher nicht gefunden. "Alle Kitas in den umliegenden Orten sind voll belegt", sagt Pries, der deshalb jetzt auf juristischem Wege erwirken möchte, dass Thore solange im Lütten Hus betreut wird, bis ein neuer Platz gefunden ist.

Zurzeit springen Thores Großeltern ein. "Sonst müsste einer von uns seinen Job aufgeben", sagt Pries. Traurig sei die ganze Angelegenheit hauptsächlich für Thore. "Er wird aus seiner gewohnten Umgebung herausgerissen und verliert Freunde. Das Wohlergehen unsere Kindes spielt für die Gemeinde offensichtlich keine Rolle."