Umweltminister Wenzel informierte sich über Zustand des Erkundungsbergwerks. Es gab kräftig Gegenwind

Gorleben. Wer zum Erkundungsbergwerk Gorleben will, kommt am Zwischenlager nicht vorbei: Hier stehen, kaum einen Steinwurf von der Schachtanlage entfernt, über 100 Castorbehälter mit hochradioaktivem Müll. Und als der neue niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel am Mittwoch in die Tiefe rauscht, ist reichlich Platz im Fahrkorb: Dieser ist ebenso wie die Stollen bereits für die mächtigen Behälter ausgelegt, die hier später einmal für die kleine Ewigkeit von einer Million Jahren sicher verwahrt werden sollen.

So wie eine Kultusministerin sich nach Amtsantritt erst einmal an den Schulen vorstellt, so absolviert der Grüne Stefan Wenzel derzeit seine Antrittsbesuche bei den atomaren Sorgenkindern Niedersachsens. Im maroden Endlager Asse bei Wolfenbüttel war er schon und hat dort sorgenvoll den Kopf geschüttelt. Jetzt also das ungeliebte Erkundungsbergwerk Gorleben, wo bereits 1,6 Milliarden Euro verbaut worden sind. Und dann steht absehbar noch Schacht Konrad in Salzgitter auf dem Programm, wo ab 2019 schwach- und mittelaktiver Müll eingelagert werden soll. "Wir in Niedersachsen tragen fast die gesamte Last der Atommüllentsorgung", sagt Wenzel. Und dann schaut er in 840 Meter Tiefe wieder sorgenvoll drein und inspiziert Laugennester, also eingelagerte Flüssigkeit: Atommüll kann nun einmal nur ganz trocken ganz sicher gelagert werden.

Unter Tage ist es mollig warm, aber es zieht auch wegen des ständigen Luftaustausches. Doch auch danach, an der winterlichen wendländischen Oberfläche beim politischen Statement, weht ihm der Wind gleich aus mehreren Richtungen ins Gesicht. Der Betriebsrat ist stinksauer auf die neue rot-grüne Landesregierung, die Gorleben um jeden Preis als Endlager für den hochradioaktiven Müll verhindern will. Die Belegschaft des Bergwerks ist in den vergangenen Monaten um fast 100 auf nur noch 160 Bergleute geschrumpft, weitere "Freisetzungen" sind angekündigt, die Erkundung ruht mindestens bis zur Bundestagswahl im September. Betriebsratschef Peter Ward kann sich richtig erregen über Politiker wie Wenzel, die Gorleben rundheraus für ungeeignet erklären: "Das ist für die Kollegen vor Ort, aber auch die Fachleute überhaupt nicht nachvollziehbar".

Wards Erfahrungen in den vergangenen Jahrzehnten gelten parteiübergreifend: "Minister reden mit allen, die lautstark schreien und zeigen keine Solidarität mit denjenigen, die sachlich und objektiv an einer Lösung arbeiten."

Aber auch die andere Seite, der Widerstand im Wendland, traut dem neuen Umweltminister nicht wirklich über den Weg. Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative: "Wir sind nicht naiv, unser Vertrauen in die Parteien haben wir schon lange verloren." Das schließt ausdrücklich die Grünen mit ein, die schließlich auf Bundesebene bei der neuen Endlagersuche unter Einschluss des Gorlebener Salzstocks mitmachen wollen. Wenzel hat diese grüne Position, dokumentiert in einem Parteitagsbeschluss, anfangs sogar zähneknirschend und halbherzig mitgetragen. Dann aber hat ihm im Landtagswahlkampf der SPD-Spitzenkandidat Stephan Weil ausgerechnet bei diesem grünen Kernthema die Schau gestohlen durch strikte Ablehnung von Gorleben - auch wenn das den ebenfalls kompromissbereiten SPD-Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel düpierte. Wenzel hat sich dann, die Landtagswahl vor Augen, an Weils strikte Ablehnung drangehängt und damit den grünen Fraktionschef im Bundestag, Jürgen Trittin, massiv verärgert. Der hat schließlich mit Gabriel und Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) die neue bundesweite Endlagersuche angeschoben - inklusive Gorleben natürlich, weil sonst die anderen Bundesländer gleich abwinken würden.

Regie bei den Endlagern Asse, Schacht Konrad und Gorleben führt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Salzgitter. Dessen Präsident Wolfram König begleitete Wenzel bei seinem Besuch der Schachtanlage Gorleben. Er mochte sich bei der entscheidenden Frage aber nicht festlegen. Es sei schwierig, zum jetzigen Zeitpunkt zu sagen, ob Gorleben als Standort für ein Endlager geeignet sei.

Raus aus der Bergmannskluft und rein ins nächste Ritual: Nach der Grubenfahrt und nach den Statements für die Journalisten trifft sich Wenzel am Abend mit den Widerständlern, die mit dem neuen Umweltminister zumindest in der Sache keine Verständigungsprobleme haben. Der Mann ist vom Fach, hat in zehn Oppositionsjahren im Landtag in Hannover die politische Konkurrenz schwindelig geredet - mit Details über das fehlende Deckgebirge, gefährliche Gasvorkommen und fehlerhafte Untersuchungsmethoden bei der Erkundung des Salzstockes. Ob es aber beim eindeutigen Nein der rot-grünen Landesregierung in Hannover auch nach der Bundestagswahl bleibt? Den Wendländern bleibt nur, es abzuwarten. So wie auf den nächsten Castor-Transport: Der soll 2015 rollen.