Morgen könnte Lutz Kleinfeldt Präses der IHK zu Lübeck werden. Doch er ist der Schwager des Hauptgeschäftsführers.

Lübeck . Am morgigen Dienstag wählt die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Lübeck einen neuen Präses. Eigentlich Routine: Stets sucht im Vorwege eine sogenannte Findungskommission die Kaufmannschaft nach geeigneten Bewerbern ab. Doch kurz vor der Abstimmung brodelt es nun in der Kammer, in der rund 65.000 Unternehmer aus der östlichen Hälfte Schleswig-Holsteins Mitglied sind. Denn Lutz Kleinfeldt, von der Kommission auserkorener Bewerber für das Ehrenamt, ist der Schwager des IHK-Hauptgeschäftsführers Matthias Schulz-Kleinfeldt, 62. Würde der 52 Jahre alte Chef einer Lübecker Wachfirma gewählt werden, so hätte er künftig vor allem eines zu überwachen: die Arbeit des Mannes, der mit seiner Schwester verheiratet ist.

Das geht vielen Kammermitgliedern zu weit, es regt sich Widerstand. Mit Friederike Kühn, 50, aus Bargteheide (Kreis Stormarn) hat eine weitere Kandidatin ihren Hut in den Ring geworfen - in Eigeninitiative. Nach Auskunft der 1853 gegründeten IHK ist es das erste Mal in der Kammergeschichte, dass es zwei Kandidaten gibt; und auch das erste Mal, dass eine Frau antritt. Kühn, Inhaberin einer Werbeagentur, gehört dem Präsidium der Kammer als eine mehrerer Vizepräses an. Sie sagt: "Die Vollversammlung kann diesmal unter zwei Bewerbern wählen. Und unter zwei Weltanschauungen." Weltanschauungen? "Ja", sagt Kühn, "ich bin froh, dass ich klar trennen kann und nicht die Fragen beantworten muss, die Herr Kleinfeldt beantworten muss."

Es ist vor allem eine Frage, die dieser Tage viele Kammermitglieder umtreibt: Ehrenamtlicher Vorstand und bezahlter Geschäftsführer, Legislative und Exekutive in einer Familie vereint - kann angesichts dieser Konstellation noch von Objektivität die Rede sein? Einer der prominentesten Kritiker ist Vizepräses Bernd Jorkisch, Holzkaufmann aus Daldorf (Kreis Segeberg), der bis 2010 selbst sechs Jahre lang ehrenamtlich an der Spitze der Kammer gestanden hat.

"In der Außenwirkung wäre das überhaupt nicht gut", sagt er. Jorkisch gehörte neben dem scheidenden Kammerpräses Christoph Andreas Leicht, Chef des Hansaparks in Sierksdorf an der Ostsee, und Vizepräses Wolfgang Pötschke der Findungskommission an. Deren Votum ist ihm offenbar dennoch nicht geheuer: "Meine erste Reaktion war: Das können wir nicht machen." Jorkisch spricht von einem "faden Beigeschmack. Es geht hier auch um das Bild vom ehrbaren hanseatischen Kaufmann, das Schaden nehmen könnte."

Auch Peter Sünnenwold, 60, Ehrenvorsitzender der Wirtschafts- und Mittelstandsvereinigung der CDU und stellvertretender Stadtpräsident Lübecks, sagt: "Die IHK ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Da kommt es auf Objektivität, Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit an." Er glaube nicht, dass eine Verschwägerung zwischen Präses und Hauptgeschäftsführer mit diesen Werten vereinbar sei. "Eine Handelskammer ist ohnehin immer Angriffen ausgesetzt, allein schon wegen der Zwangsmitgliedschaft aller Gewerbetreibenden", sagt Sünnenwold. Da sollte sie nicht noch auf einem weiteren Feld angreifbar werden. Kleinfeldt und Schulz-Kleinfeldt: In den benachbarten Kammern, so Sünnenwolds Beobachtung, werde "schon sehr vorsichtig die Nase gerümpft".

Lutz Kleinfeldt - der Schwager unter den Kandidaten - kann die Aufregung nur zum Teil nachvollziehen. "Wegen des ähnlichen Namens kann das nach außen schon komisch aussehen", räumt er ein. "Aber innerhalb der Kammer kann nichts passieren. Bei meinem Schwager und mir kann es allein schon deshalb zu keinen Unregelmäßigkeiten kommen, weil alle viel genauer hinsehen werden als bei einem anderen Gespann aus Präses und Hauptgeschäftsführer." Außerdem, sagt er, sei es der Arbeit nützlich, wenn sich beide gut verstünden. Kleinfeldt: "Wo sitzt die wirkliche Kritik? Die kann ich nicht erkennen."

Allerdings: Mit seinem Wachunternehmen arbeitet Kleinfeldt auch für die IHK. Und für Auftragsvergaben bei der IHK zuständig, bevor er 2010 Hauptgeschäftsführer wurde, ist der Jurist Matthias Schulz-Kleinfeldt. Für die Bewachung des IHK-Gebäudes an der Fackenburger Allee in Lübeck nimmt Lutz Kleinfeldts Firma nach eigenen Angaben etwa 3000 Euro pro Jahr ein, für Hausmeisterdienste noch einmal etwa 36.000 Euro. Sowohl der Auftragnehmer als auch die IHK-Pressestelle betonen, dass die Dienstleistungen seinerzeit ordnungsgemäß ausgeschrieben worden seien.

Und was sagt Hauptgeschäftsführer Matthias Schulz-Kleinfeldt zu möglichen Konflikten, die die Kandidatur seines Schwagers mit sich bringen könnte? Gar nichts. Über seinen Pressesprecher Oliver Grün lässt er ausrichten: Er freue sich, "dass sich zwei hochkompetente Unternehmerpersönlichkeiten aus der regionalen Wirtschaft zur Wahl stellen".