Osnabrücker Islam-Experte: Minderheit ist gewaltbereit. Hochburg in Braunschweig

Hannover/Osnabrück. Sie verteilen öffentlich den Koran, vertreten einen rückwärtsgewandten Islam mit einem "Gottesstaat" und können gewaltbereit sein: Mehr als 4500 Salafisten gibt es nach Angaben des Bundesverfassungsschutzes in ganz Deutschland. "Für die norddeutschen Bundesländer gehen wir realistisch von einer Schätzung von 1000 bis 1500 Salafisten aus", sagte Professor Bülent Ucar, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück, am Rande einer Fachtagung zum Thema Salafismus dem Hamburger Abendblatt. Die Zahl der lediglich salafistisch geprägten Menschen in Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern dürfte noch wesentlich höher sein.

Während die salafistische Szene allein in einem Jahr bundesweit um 700 Anhänger gewachsen ist, hat sie sich in Niedersachsen um rund zehn Prozent auf 300 erhöht. Bei den Salafisten handele es sich um eine "rapide wachsende Gruppe", beobachtet der Verfassungsschutz. Einer ihrer bekanntesten Vertreter ist der islamistische Prediger Pierre Vogel. Hochburgen in Norddeutschland sind Hannover und Braunschweig.

Auch in Hamburg gibt es nach Beobachtungen des Osnabrücker Islam-Experten eine salafistische Szene. Sie spiele aber im Vergleich zu anderen Regionen eine untergeordnete Rolle. Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) geht von 200 Salafisten in der Hansestadt aus. Für die öffentliche Ordnung extrem gefährlich sind die Verbindungen einzelner Salafisten zum Terrorismus. Die Osnabrücker Tagung ruft dabei zu mehr Differenzierung auf. "Ein einseitiges apodiktisches Textverständnis mit einer ausgeprägten Religiosität ist allein noch kein Kriterium, jemanden als extremistisch einzustufen", so Bülent Ucar. "Entscheidend ist, wenn Gewalt in jeder Form tatsächlich oder strukturell verherrlicht und befürwortet wird." Die gewaltbereiten Dschihadisten seien eine Minderheit in der Minderheit. "Von den 4500 Salafisten ist vielleicht der geringste Teil gewaltbereit. Aber jeder Vorfall ist ein Fall zu viel und würde das gesellschaftliche Klima vergiften", sagte Bülent Ucar.