Schleswig-Holstein setzt auf spezielle Mixtur. Sie ist billiger und umweltfreundlicher - aber nur eingeschränkt wirksam.

Kiel/Bad Oldesloe. Schleswig-Holstein setzt im Winterdienst auf den Autobahnen im Land flächendeckend eine neue Salzmischung ein, die jedoch unter bestimmten Bedingungen nur eingeschränkt wirksam ist. Das körnige Natriumchlorid in den Trichtern der Streufahrzeuge wird seit Jahresbeginn nicht mehr mit Magnesiumchlorid-Sole versetzt, bevor alles zusammen auf die Fahrbahn gesprüht wird, sondern mit Natriumchlorid-Sole. "Preisvorteile sowie ökologische Aspekte" seien die Gründe dafür, sagt Alexandra Vereanu, eine Sprecherin des Landesbetriebs für Straßenbau und Verkehr in Kiel. Natriumchlorid-Sole könne von den Mitarbeitern der Autobahnmeistereien selbst angemischt werden - dadurch entfielen hohe Frachtkosten und die Abhängigkeit von Lieferanten. Vereanu beziffert das Einsparpotenzial mit landesweit rund 600.000 Euro pro Jahr.

Doch die Sache hat einen gravierenden Haken: Insbesondere bei sehr niedrigen Temperaturen vermag die neue Mischung Eis schlechter aufzutauen als die alte. Das ist auch in der Behörde in Kiel bekannt. Alexandra Vereanu räumt ein: "Ab minus sieben Grad Celsius nimmt die Wirksamkeit des mit Natriumchlorid-Sole angemischten Feuchtsalzes ab."

Auch wenn Vereanu anführt, dass das Temperaturniveau im langjährigen Mittel über diesen minus sieben Grad liege - gleich in den ersten Frostnächten dieses Jahres sind die Streudienste mit ihrer neuen Mixtur offenbar an ihre Grenzen gestoßen. Etwa in der Nacht auf den 15. Januar. Es war es bitterkalt, es hatte ein wenig geschneit. Im morgendlichen Berufsverkehr waren die Fahrbahnen auf der Autobahn 1 dick vereist. Gefahrgut-Transporte mussten Zwangsstopps einlegen, mehrere Lastwagen verunglückten, es entstand Sachschaden in Höhe von einer Viertelmillion Euro, die Strecke war für etliche Stunden gesperrt.

Jes-Christian Hansen, Prokurist beim Futtermittelhersteller HaBeMa, kann sich noch gut an diesen Morgen erinnern: "Der Zuständigkeitswechsel der Autobahnmeistereien im Kreuz Ost war an jenem Morgen in höchstem Maße gefährlich." Auf Hamburger Gebiet seien alle Fahrstreifen einwandfrei geräumt und gestreut gewesen. "Bei Barsbüttel mündeten sie dann unvermittelt in einen vereisten rechten und mittleren Fahrstreifen. Die linke Spur war noch von Schnee bedeckt."

Hansens subjektiver Eindruck: Die Fahrbahnen in Schleswig-Holstein seien in einem deutlich schlechteren Zustand gewesen als in zurückliegenden Jahren. "Und das, obwohl der Schneefall schon deutlich vor Mitternacht geendet hatte und auch nicht besonders ergiebig war." Gerd Riemann, als Kreisbrandmeister Chef aller freiwilligen Feuerwehren im Kreis Stormarn, hat die Situation ähnlich empfunden. "Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Autobahnen in diesem Winter häufiger vereist sind als in früheren Jahren." Irgendetwas, so Riemanns Eindruck, sei anders als in der Vergangenheit.

Tatsächlich erwies sich das neue Gemisch in jener Nacht augenscheinlich als untauglich. Die Mitarbeiter der Autobahnmeisterei Bad Oldesloe entschieden schließlich, reines Salz zu streuen. Alexandra Vereanu: "Die Umstellung von Natriumchlorid-Feuchtsalz auf Natriumchlorid-Trockensalz ohne Sole wurde vorgenommen, um der abnehmenden Tauwirkung entgegenzuwirken." Vor dem Jahreswechsel, räumt sie auf Nachfrage ein, hätte problemlos mit der früher verwendeten Mischung gestreut werden können.

+++ Kommentar: Sicherheit muss Priorität haben +++

Stormarns Landrat Klaus Plöger verlangt Aufklärung. "Die Verantwortlichen müssen jetzt bitte gucken, ob sie nicht etwas ändern sollten", sagt er. "Ich möchte nicht, dass so etwas noch mal passiert." Schließlich gehe es um die Gesundheit von Menschen, aber auch um den Wirtschaftsstandort Stormarn.

Dass der Winterdienst zumindest dem subjektiven Empfinden nach auf den Hamburger Autobahnabschnitten besser funktioniert, überrascht nach allem - auch in der Hansestadt wird Natriumchlorid-Sole eingesetzt. Der Sprecher des ADAC Hansa, Carsten Willms, sagt: "Möglicherweise liegt das daran, dass es im Stadtgebiet deutlich wärmer gewesen ist als auf dem flachen Land."